Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
zerschossenen Tür drangen die Lichtstrahlen einer Taschenlampe.
»Bist du’s, Kommandeur?«, schrie Dym.
»Ja! Kommt raus.«
Taran stand neben einem Eimer Wasser, in dem eine gelöschte Fackel steckte.
»Hast du ihn gesehen?«, fragte Gleb.
»Nur ganz flüchtig. Irgend so ein Wilder … Schmutzig, bärtig … Er ist weggelaufen wie ein Hase.« Als der Stalker die braunen Flecken an Dyms Oberarm bemerkte, trat er besorgt näher. »Lass mal sehen.«
Mit schmerzverzerrtem Gesicht nahm Gennadi die Hand weg. Die Wunde blutete heftig.
»Glatter Durchschuss. Glück gehabt … Gleb, gib mir das Verbandszeug.«
Während Taran die Wunde versorgte und verband, schaute der Junge immer wieder ängstlich umher.
»Keine Sorge«, beruhigte ihn der Stalker. »Dem haben wir einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Außerdem hat der Trottel keine Patronen mehr. Sonst hätte er wohl kaum seine Kanone weggeschmissen.«
Mit einer Kopfbewegung deutete der Stalker auf eine Makarow, die auf dem Boden lag. Gleb hob die Pistole vorsichtig auf und inspizierte sie.
»Na so was: mit eingravierter Widmung! Kann man aber nicht mehr richtig lesen … Dem Komman… …tbanner …vision…«
»Divisionskommandeur«, dechiffrierte Dym und bewegte vorsichtig den verletzten Arm. »Warum ballert der Typ eigentlich einfach drauflos?«
»Das erfahren wir, sobald wir ihn schnappen«, sagte Taran und kramte in seinem Rucksack.
»Ich glaube nicht, dass wir ihn erwischen«, orakelte Gleb. »Der findet sich mit geschlossenen Augen in diesen Katakomben zurecht.«
»Dann sorgen wir mal für Chancengleichheit bei diesem Versteckspiel«, erwiderte Taran und zog mit diebischem Grinsen eine Nachtsichtbrille hervor …
Das Feuerchen knisterte behaglich und verschlang gierig, womit man es fütterte: eine Handvoll Kohle und ein paar Lumpen, die sich in einem Lagerraum in der Nähe fanden.
Der Mann, der den Abenteurern im flackernden Licht gegenübersaß und abwesend in die Flammen starrte, mochte um die fünfundvierzig Jahre alt sein. Er stank erbärmlich und sein pockennarbiges, unfassbar blasses Gesicht war fast vollständig von einem wilden Bart überwuchert, der weit auf seine Brust herabhing. Die löchrigen Fetzen, die sein dürres Gestell wie ein Sack umhüllten, konnte man nur mit viel Fantasie als Überreste einer Uniform identifizieren.
Es hatte nicht viel Mühe gekostet, den Angreifer dingfest zu machen. Nachdem sein einziger Vorteil wegen Tarans Nachtsichtbrille nicht zum Tragen kam, hatte er versucht, über die Oberfläche zu fliehen, war aber nicht weit gekommen. Gennadi, der mit seinen langen Beinen im Tiefschnee viel schneller war, hatte ihn bald eingeholt, am Schlafittchen gepackt und wieder in den Bunker zurückgebracht.
Am Rückweg hatte der Mutant die Gelegenheit gehabt, zwei der Abschussvorrichtungen genauer zu inspizieren. Ihre offen stehenden Abdeckklappen waren vor dem Hintergrund der verschneiten Steppe nicht zu übersehen gewesen. Das Ergebnis der kurzen Erkundung war nicht weiter überraschend. In den tiefen Schächten der Silos befanden sich keine Raketen, sondern schwarzes, radioaktiv verseuchtes Wasser, das mit einer dünnen Eisschicht überzogen war.
»Ist das deine Knarre?«, fragte Taran und warf dem Gefangenen die Pistole zu.
Der fing sie im Flug, verstaute sie unter seiner Jacke und starrte wieder reglos ins Feuer. Man hatte darauf verzichtet, ihm die Hände zu fesseln, da er sich seit seiner Ergreifung völlig friedlich benahm. Nur Gennadi war ihm offenbar nicht ganz geheuer. Kein Wunder, einen Mutanten wie Dym hatte er sicher noch nie gesehen.
»Wohl eher nicht«, fuhr der Stalker fort. »Für einen Divisionskommandeur bist du zu jung. Als Offizier der Wachmannschaft kann ich mir dich eher vorstellen. Hab ich’s erraten?«
Das Augenlid des notorischen Schweigers zuckte kurz, aber eine Antwort blieb aus. Taran versuchte es mit einem Themenwechsel.
»Du musst schon entschuldigen, dass wir bewaffnet in deine Behausung eingedrungen sind … Aber geschossen hast du zuerst.«
»Wie heißt du überhaupt, du Revolverheld«, schaltete sich Gennadi ein.
Der Gefangene schwieg beharrlich.
»Na, wie du willst. Im Grunde ist uns das auch völlig wurst. Kommen wir lieber mal auf den Divisionskommandeur zu sprechen.« Dym dehnte seinen Stiernacken und gähnte herzhaft. »Von was für Raketen hast du eigentlich in deinen Funksprüchen gefaselt? Die Silos sind doch leer.«
Der Soldat ignorierte auch diesen Versuch, ein
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