Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
sich von der Wand und rannte durch die grauen Schwaden zurück in Richtung Wasserbehälter. Links und rechts von ihm wackelten die Wände – der ganze Komplex drohte, in sich zusammenzufallen. Dem Stalker standen Tränen in den Augen, und das lag nicht am beißenden Rauch.
In den Gestank mischte sich der Geruch von Feuchtigkeit. Und da war auch schon das Wasserbecken mit den Gitterstegen, auf denen die Körbe der Tritonen standen! In persönlicher Rekordzeit legte Taran die Taucherausrüstung an und sprang ins Wasser. Gurgelnd schloss sich das eisige Nass über seinem Kopf.
Der Lichtstrahl der Stirnlampe kämpfte sich tapfer durch die graugrüne Brühe und zauberte die Mündung des Förderrohrs aus der Dunkelheit hervor. Den Rückweg musste der Stalker aus der Erinnerung finden, doch er hatte keine Angst, sich zu verirren. Die Trauer um seinen Freund, der oben im Labor dem Tod geweiht war, verdrängte alle anderen Gefühle. Immer wieder schoss ihm die bohrende Frage durch den Kopf: Hätte man wirklich nichts machen können?
Plötzlich meldeten Tarans Instinkte Gefahr. Irgendetwas stimmte nicht. Ein Kontrollblick auf das Manometer ergab, dass das lebensspendende Atemgas rasant weniger wurde. Der Grund dafür war sofort klar, als der Stalker über seine Schulter blickte. Aus der Druckflasche sprudelten Luftblasen heraus und stiegen als dünne Girlande zur Oberfläche auf. Die alte Ausrüstung gab zum ungünstigsten Zeitpunkt den Geist auf!
Jeder Taucher, egal ob alter Hase oder Anfänger, kennt die eherne Maxime: Zu schnelles Auftauchen ist lebensgefährlich. Um den überschüssigen Stickstoff aus dem Organismus zu bekommen, sind bestimmte Regeln einzuhalten. Eine davon besagt, dass man auf dem Weg zur Oberfläche mehrere Dekompressionsstopps einlegen muss. Und diese Prozedur kostet natürlich Zeit.
Abermals warf der Stalker einen besorgten Blick auf die Manometeranzeige und kam zu dem bedenklichen Schluss, dass sein Atemgasvorrat für einen kontrollierten Aufstieg nicht reichte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf die Dekompressionstabellen zu pfeifen und zu hoffen, dass es trotzdem gutging.
Taran verstärkte den Beinschlag und strebte dem schwachen Lichtschein entgegen, der von der rettenden Oberfläche in die Tiefe drang. Er hatte kein Recht, so kurz vor dem Sieg noch zu verlieren. Und er hatte kein Recht, den Mut sinken zu lassen.
Dem Stalker war bewusst, dass der Schmerz über den Verlust seines Freundes erst noch kommen würde. Er hatte dieses beklemmende Gefühl, das einem das Herz zerreißt, schon mehrfach erlebt. Doch im Moment zählte nur eins: Er durfte nicht zulassen, dass Dyms Tod umsonst war. Und deshalb musste er zumindest selbst überleben.
22
DIE WAHL
Die Wasserung in der Pawlowski-Bucht verlief reibungslos, und wie erhofft waren Taran und Dym noch nicht zurückgekehrt. Doch auch nach längerem Warten fehlte von den Stalkern jede Spur.
Im »Kaspischen Monster« begann man sich schon Sorgen zu machen, als neben dem Ekranoplan plötzlich ein Abgesandter der Tritonen auftauchte. Der schon vertraute Glatzkopf mit den spitzen Ohren überbrachte die unerwartete Nachricht, dass die Stalker beschlossen hätten, längere Zeit im Tempel zu verweilen, obwohl ihre Begleiter ihnen dringend geraten hatten, sich zurückzuziehen, um nicht den Zorn des Unterirdischen heraufzubeschwören.
Der Bote zeigte eine pantomimische Meisterleistung, um sich bei der ausgedünnten Mannschaft verständlich zu machen, dann winkte er flüchtig und zog sich zu seinen Artgenossen zurück. Nach dem Affront der Stalker waren die grauhäutigen Schwimmer nicht mehr ganz so gut auf die eigenwilligen Gäste zu sprechen und mieden fortan die Nähe des Eisenvogels.
Es hatte wenig Sinn, noch länger zu warten. Die Triebwerke des »Kaspischen Monsters« heulten abermals auf.
»Wie sollen wir diese Grotte finden?«, erkundigte sich Migalytsch und nahm Kurs auf die Syssojew-Bucht.
»Ich habe mir eingeprägt, wie sie aussieht.« Nervös beobachtete der Junge die Hügelkette an der Küstenlinie. »Nr. 8 hat mir ein sehr lebendiges Bild davon übermittelt.«
»Und wenn die Tritonen uns reingelegt haben?«, gab Aurora zu bedenken. »Was, wenn …«
»Nichts ›wenn‹«, widersprach Gleb kategorisch. »Der Älteste hätte mich nicht anlügen können. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber als wir uns unterhielten, konnte ich in seinen Gedanken lesen wie in einem offenen Buch.«
»Dann schlage ich vor, dass wir mit
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