Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
nicht, sich alle von Migalytsch aufgezählten Vorzüge der »Ameise« zu merken, doch die beiden wichtigsten kannte auch er: die hervorragende Geländegängigkeit und die enorme Reichweite.
Dank des achtachsigen Fahrwerks mit einem halben Meter Bodenfreiheit konnte man problemlos zerklüftetes Gelände befahren, Schneewehen überwinden und sogar von Stürmen umgelegte Waldstreifen passieren.
Der Treibstoffvorrat wurde in einem riesigen Eisenbahntank mitgeführt, der im vorderen Bereich des Fahrgestells angeschweißt war – dort, wo ursprünglich das Kopfstück der Interkontinentalrakete Topol-M geruht hatte. Der Tank nahm einen wesentlichen Teil der Nutzlast in Anspruch, dafür war die Reichweite des modifizierten Ungetüms praktisch unbegrenzt.
Zwanzig Tonnen Diesel – aufbereitet, aber absolut brauchbar … Ein Vermögen für jede bewohnte Metrostation. Selbst die allgegenwärtigen Masuten von der Technoloschka hatten beim Treibstoff immer wieder mit Engpässen zu kämpfen. Die Leute von der Allianz schwiegen sich darüber aus, wo sie solche Unmengen an Sprit aufgetrieben hatten. Sicher waren sie irgendwo am Stadtrand auf ein unterirdisches Kraftstofflager gestoßen, das noch niemand geplündert hatte.
Das großzügige Angebot der Allianz hatte Taran jedenfalls ziemlich überrascht und war ihm sehr zupassgekommen. Auch über den Preis – Informationen über unkontaminiertes Land – konnte man wahrlich nicht meckern.
Nach der verunglückten »Abschiedsgala« konnte man die ursprünglichen Abmachungen allerdings getrost in die Tonne treten. Der neue Preis der Primorski-Allianz wäre vermutlich der Kopf des Söldners gewesen, vorausgesetzt, dass sich nach dem Krieg gegen die Veganer noch Überlebende für die Durchführung der Hinrichtung fanden.
Mit vereinten Kräften führte die Mannschaft die Anweisungen von Taran und Migalytsch aus. Gleb legte sich dabei mächtig ins Zeug, um nicht hinter den Erwachsenen zurückzustehen. Nachdem er mit dem Flicken der löchrigen Schlafsäcke fertig war, half er Aurora beim Inventarisieren der Lebensmittelvorräte. Dann schliff er zusammen mit Sitting Bull Rostflecken von den Innenwänden der Aufbauten ab, bis ihm beinahe die Arme abfielen.
Die Zeit verging wie im Flug. Erst gegen Abend ergab sich die Gelegenheit, einen Blick auf die vor den Fenstern vorbeiziehende Landschaft zu werfen. Es war jedoch schon so dämmrig geworden, dass man nicht mehr allzu viel erkennen konnte. Die Gelegenheit für einen Ausflug in Freie wollte sich Gleb trotzdem nicht entgehen lassen. Deshalb bot er bereitwillig an, Dym bei der Reparatur einer am Heck montierten Seilwinde zu helfen. Taran hatte zum Glück nichts dagegen.
Ein paar Minuten später stand der Junge mit ABC -Schutzanzug und Gasmaske neben dem Eingang in den Schleusenraum. Der Mutant verzichtete wie üblich auf eine »Schnüffeltüte«, zwängte sich durch die für seine Körpermaße viel zu enge Schleuse und stieg als Erster auf die mit einem Stahlkäfig gesicherte Heckplattform hinunter. Dann war Gleb an der Reihe.
Als er die schwergängige Außenklappe aufschob, schlug ihm das Gebrüll des Motors entgegen. Die kurze Leiter mit den drei Gitterstufen war völlig vereist. Der Lichtkegel der Taschenlampe leuchtete einen kleinen runden Fleck auf der verschneiten Plattform aus. Gennadis Silhouette wandelte als schwarzer Tintenfleck am gegenüberliegenden Ende des Heckaufbaus umher. Offenbar arbeitete er bereits an der Winde, denn vor dem Hintergrund des Motorlärms schepperte Metall.
Der Junge hielt sich am bereiften Geländer fest und stieg vorsichtig die Leiter hinunter. Trotz des Schutzkäfigs war es ein ziemlich mulmiges Gefühl, auf der schwankenden Plattform zu stehen. Eine plötzliche Windböe konnte einen leicht an den Rand befördern, und wer wusste schon, welche Gefahren jenseits des Gitters lauerten?
Links und rechts zogen die Ränder des dicht an die Chaussee heranreichenden Waldes wie schwarze Felswände vorbei. Dabei entstand der Eindruck, als bewegte man sich am Grund eines majestätischen Canyons. Die Lichtsäulen der Scheinwerfer schwenkten ziellos über die ausladenden Äste der mächtigen Baumriesen und warfen gespenstische Schatten.
Gleb lief schnell zu Gennadi hinüber. In der Gesellschaft des Riesen fühlte er sich bedeutend wohler auf der windumtosten Plattform. Dyms Atem dampfte spektakulär, doch der Vorschlaghammer lag wie eine schwerelose Feder in seiner muskulösen Hand. Ein paar gezielte Schläge
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