Hinter dem Mond
beiläufig.
»Was? Meinst du? Da müssen wir Dee fragen.«
Wir fragten Dee, die gerade den dicken, immer noch kahlen Bijan mit ihren riesigen Brüsten stillte. Jede Brust war so groß wie eine Zuckermelone und hatte auch dieselbe ovale Form, aber die Haut ihrer Brust war sehr weiß und sehr durchsichtig, und man sah viele dicke blaue Adern über den ganzen Busen quellen. Es sah fürchterlich aus. Bijans Wackelkopf hing an ihrer großen hellbraunen Brustwarze in dem gigantischen hellbraunen Hof. Ich stand in der Tür und konnte nicht wegsehen, obwohl mir von dem Anblick total übel wurde. Ich fand stillende Mütter eklig, genauso wie Babys, die gierig das Körpersekret ihrer Mütter saugten. Ich dagegen war als Neugeborenes schon cool: Ich hatte meiner Mutter gleich nach der Geburt noch in der Klinik kraftvoll mit meinem zahnlosen Gebiss in die Brustwarzen gebissen, um klar zu machen, dass ich das widerliche Zeug nicht trinke, Hautkontakt nur in Ausnahmefällen wünsche und die mir gefälligst anständige und keimfreie Pulvermilch in eine frisch ausgekochte Nuckelflasche füllen und das weiche Gummi sanft in den Mund schieben sollen. Ich kann heute noch den köstlichen Geschmack von Milupas Nektarmilch schmecken und freu mich über ein Glas warme Kuhmilch mit viel Honig am Abend.
Einige Tage zuvor hatte ich im Kühlschrank eine schmale Flasche Milch gefunden und wollte sie über meine Cornflakes gießen, als Sonja hinter mir laut lachte:
»Das ist die Milch, die Dee abgepumpt hat für Bijan.«
Mir wurde schwarz vor Augen, als ich mir vorstellte, was gewesen wäre, wenn Sonja nichts gesagt und ich die Milch mit meinen Cornflakes gegessen hätte.
Ich fand Milch abpumpen und in den Kühlschrank stellen richtig asozial.
Dee wollte uns den Schlüssel nicht einfach geben, sondern dabei sein, wenn wir ihr Auto zu Schrott fahren.
Der rülpsende Bijan hatte anscheinend genug getrunken, lag in seiner Plastik-Babywiege, und ein dünnes Rinnsal weiße Flüssigkeit lief aus seinem Mundwinkel heraus. Ich bekam Gänsehaut vor Ekel. Ich fand nichts an ihm niedlich, ganz im Gegenteil, ich wusste nicht, wozu der gut sein sollte. Um mich zu beruhigen, ging ich hinaus, setzte mich auf die Terrasse und beschloss, mich niemals selbst um meine Kinder zu kümmern.
Ich würde mir ein Kindermädchen nehmen, das Tag und Nacht da wäre, so eine Art Mutterersatz, das alles machen würde, wozu ich keine Lust hätte, also alles außer Klamotten kaufen und die Kinder chic anziehen. Dann würden die Kinder in ihren hübschen Matrosenanzügen von Cacharel vorgeführt werden, wir würden etwas zusammen spielen und lesen, dann wären sie wieder weg, bekämen ihr Essen an einem kleinen Kindertisch in ihrem Kinderzimmer serviert, und ich hätte Ruhe und müsste mir das nervige Kindergeplapper nicht anhören. Ich hatte in verschiedenen Büchern gelesen, dass es bei Königen und Hollywood-Schauspielern immer so ablief und die Kinder, die eben diese Bücher über ihre schreckliche Kindheit schrieben, deshalb alle einen Dachschaden hätten. Aber meine Kinder hätten natürlich keinen Dachschaden, es waren ja meine Kinder, und sie konnten jederzeit zu mir kommen.
»Baby you can drive my car …«, sang Dee hinter mir. Sie wusste, dass ich die Beatles liebte, allein weil das rote und blaue Album, was ich auf Kassette dabei hatte, seit Tagen laut in ihrem Haus zu hören war.
Dee setzte sich mit dem sabbernden Bijan auf dem Arm neben Sonja, die gleich zum ersten Mal ein Auto fahren würde. Aber Sonja stellte sich gar nicht so schlecht an. Sie fuhr einige Male durch dasVillendorf, würgte den Motor nur ganz selten ab und schaffte es sogar bis in den dritten Gang. Danach durfte ich fahren, ich konnte es schon ziemlich gut und kam mir toll vor, wie ich den Motor anließ und den ersten Gang einlegte, so als würde ich das jeden Tag tun.
Dee stieg irgendwann aus, weil Bijan anfing zu heulen, und wir fuhren noch eine Zeit alleine rum und fühlten uns unfassbar cool und der Welt überlegen. Ich hatte gerade erst eine Woche vorher mit meinen Freunden meinen fünfzehnten Geburtstag in der jetzt alkoholfreien Bar des Hyatt gefeiert und konnte ein richtiges Auto fahren, wie ein Junge. Ich fühlte mich frei und leicht und war an diesem Nachmittag in Shahsawar ziemlich nah dran am Glück.
Nachdem wir Dees Karre vors Haus gestellt hatten, kam Dee uns entgegen. Sie sah sehr besorgt aus:
»Your Mum called!«, sagte sie zu mir und sah mich bedeutungsvoll an, »She
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