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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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said your school will stay closed after summer, they didn’t get any permission from the government …«
    Sonja und ich starrten uns mit weitaufgerissenen Augen an. Das konnte nicht sein!
    Ich ging ins Haus und wählte unsere Nummer in Teheran. Meine Mutter ging ran, an ihrer Stimme hörte ich sofort, dass sie auf hundertachtzig war. Sie schrie los, ich müsste auf der Stelle nach Hause kommen, als wäre es ihre Schule, auf die sie nicht mehr gehen konnte, nicht meine.
    »Warum soll ich denn jetzt nach Hause, Mann?«
    »Weil wir hier morgen eine Lösung für euch finden müssen! Alle Eltern kommen zu uns, und wir werden besprechen, was aus euch werden soll.«
    »Ich will ins Internat nach Deutschland.«
    Meine Mutter krakeelte noch eine Oktave höher:
    »Internat, Internat! Wo willst du hin, ins Internat? Komm sofort nach Hause, dann werden wir sehen, ob und wo wir euch hinschicken … Morgen ist Freitag, wir haben alle Eltern zu uns eingeladen, es kommen alle, die nicht wissen, wie es mit euch weitergehen soll.«
    »Und wieso muss ich jetzt nach Hause kommen? Das könnt ihr doch auch ohne mich besprechen.«
    Meine Mutter schrie so laut, dass Sonja, die in dem Sessel neben mir lümmelte, erschrocken das Gesicht verzog.
    »Komm sofort nach Hause, sonst kannst du dir ein Kopftuch umbinden und in die islamische Gebetsschule gehen! Ist mir doch egal, auf welche Schule du gehst! Was geht mich das an? Wenn du dich nicht interessierst, was aus dir wird, dann schickt dich niemand in ein Internat nach Deutschland! Von mir aus kannst du an der nächsten Straßenecke zur Schule gehen! Mit Kopftuch und Koran unterm Arm!«
    »Wie soll ich denn jetzt nach Hause kommen?«
    »Setz dich in den Bus oder Zug!«, war ihre überraschende Antwort.
    Ich hatte noch nie einen Bahnhof gesehen, seit ich im Iran lebte, geschweige denn in einem Zug oder gar Bus gesessen. Ich wusste gar nicht, ob es so was wie Züge gab. Shahsawar war eine vierstündige Autofahrt durch das Elburz-Gebirge von Teheran entfernt.
    »Waaas?«
    »Was geht mich das an?«, keifte meine Mutter weiter, »du bist auch selber dahin gefahren, dann sieh zu, wie du zurückkommst. Ich werde nicht hier für dich darum kämpfen, dass du nach Deutschland geschickt wirst! Soweit kommt’s noch, Madame macht Ferien am Meer, und ich muss mich hier in der heißen, dreckigen Stadt um eine Schule kümmern, damit Madame nach Deutschland kann. Setz dich gefälligst in einen Autobus und fahr zurück nach Teheran.«
    »In einen Bus? Wie soll ich denn Bus fahren?« Nur die Unterschicht in braungeblümten Tschadors fuhr Bus, mit bunten Plastiktaschen, in denen lebendige Hühner flatterten. Mir stiegen die Tränen hoch. Meine Mutter war echt das Letzte.
    »Okay, ich komme …«, seufzte ich und legte auf.
    Sonja starrte mich an. »Was war denn mit deiner Mutter los?«
    »Keine Ahnung. Total verrückt geworden. Ich muss nach Hause.« Ich schniefte und wischte mir die Tränen weg.
    »Scheiße. Und wie sollst du nach Hause? Ich glaube nicht, dass Dee Lust hat, wegen deiner Mutter nach Teheran zu fahren!«
    Ich schniefte und hasste meine Mutter. Am liebsten wäre ich gar nicht mehr nach Teheran fahren, nie mehr, sondern direkt vom Kaspischen Meer in ein Internat nach Deutschland.
    Aber ich konnte mit dem persischen Pass nicht ohne die Erlaubnis meines Vaters das Land verlassen. Und wer sollte das Internat bezahlen?
    »Scheiße«, schniefte ich noch mal. »Sie sagt, ich soll mit dem Autobus fahren …«
    Sonja lachte laut. »Nee, hat sie das echt gesagt? Die spinnt doch. Dee und mein Vater würden mich nie Bus fahren lassen.«

    Am nächsten Tag saß ich nachmittags neben zwei fremden Frauen mit zwei Kleinkindern auf dem Schoß auf der engen Rückbank eines Buicks gequetscht. Dee hatte zufällig mitbekommen, dass die Nachbarn zwei Villen weiter nach Teheran fahren wollten, und gefragt, ob sie mich nicht mitnehmen könnten. Und weil Perser zu höflich sind, um nein zu sagen, nahmen sie mich mit, obwohl eigentlich kein Platz im Auto war. Vorne saßen die beiden Männer, und hinten war es eng, heiß und laut. Außerdem quengelten die Kinder ununterbrochen. Ich hatte eine Packung amerikanische Schoko-Cookies von Dee als Reiseproviant mitbekommen, die ich den Kindern und Erwachsenen anbot. Leider nahmen sich alle davon, und es blieb nicht viel für mich übrig. Ich war total angekotzt, verschwitzt und fix und fertig, als wir endlich Teheran erreichten. Ich bat sie, mich an einem Taxistand aussteigen zu

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