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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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waren, aber ich hatte keine anderen Sandalen, und in Teheran war es im Oktober noch sehr warm. Vorne auf meinem Kleid war ein hellgelber Fleck. Ich hatte in der Schule einen der köstlichen Donuts gegessen, die es an unserem Schulkiosk zu kaufen gab, und die Vanillefüllung war herausgetropft. Ich war schon lange keine Modepuppe mehr, sondern nur noch Lumpen-Lilly, fand ich.
    Aber es gab keine Kleider für mich zu kaufen. Alles, was es an Kinderkleidung und Schuhen in Teheran zu kaufen gab, wurde meinen Ansprüchen bei weitem nicht gerecht. Sogar Socken und Strümpfe, die von einer iranischen Firma, die »Starlight« hieß, produziert wurden, waren kratzig und scheußlich. Normale persische Kinder trugen die kratzigen Strümpfe, die schlecht genähten Hosen und die Plastikturnschuhe mit den zwei Streifen, ohne zu murren, auch wenn ihre Mütter nach dem letzten Schrei in Paris gekleidet waren. Aber diese Sachen kamen für mich nicht in Frage. Und fast niemand auf unserer Schule lief mit persischer Kleidung herum. Es war zwar niemand richtig chic, aber immerhin kauften alle ihre Sachen in den Ferien in Deutschland. Man konnte bei einem schlichten T-Shirt schon von weitem sehen, ob es aus dem Iran war oder nicht. Lieber trug ich meine alten Sachen, aus denen ich herausgewachsen war, als auszusehen wie ein Dehati . »Dehati« war ein Schimpfwort und hieß eigentlich: ein Dorfbewohner, einer der von allem nichts mitbekommen hatte, zurückgeblieben war und womöglich Schlafanzughosen und Gummischuhe mit eingestanzten Schnürsenkeln trug.
    Die nette persische Lehrerin, die zweimal die Woche nachmittags zu uns kam und immer noch verzweifelt versuchte, mit mir das Persisch-Lernbuch der ersten Klasse durchzunehmen, hatte mich einmal, als es in einer Geschichte um Moral und Ethik ging, gefragt: »Was ist besser: ein sehr armer Mensch, der abgetragene, billige, aber saubere Kleidung trägt, oder ein reicher, der sehr teure, aber schmutzige und verwahrloste Kleidung trägt?«
    Die Antwort lag für die Lehrerin so sehr auf der Hand, dass sie regelrecht zusammenzuckte, als ich antwortete:
    »Ist doch klar: der Reiche in den teuren, schmutzigen Klamotten!«
    »Was? Du findest schmutzige Kleidung besser als gepflegte, die wenig Geld gekostet hat?«
    »Natürlich. Die teure Kleidung gibt man in die Reinigung, und sie ist wieder sauber und schön. Was soll ich mit den Armenlumpen?«
    Darauf fiel der Lehrerin kein Argument mehr ein. Sie schüttelte den Kopf und tat sich wahrscheinlich selbst leid, dass sie darauf angewiesen war, so ein kleines Arschloch zu unterrichten.
    »Du brauchst neue Kleider«, sagte meine Mutter jetzt verzweifelt.»Wir gehen zu der Schneiderin und lassen dir welche machen. Und neue Schuhe brauchst du auch.«
    Sie sah besorgt aus. Sie wusste, es würde keine Schuhe für mich zu kaufen geben. Ich hatte schon ziemlich große Füße, Schuhgröße 37, und iranische Kinderschuhe wurden, abgesehen von ihrem Dehati-Design, zum Glück nur bis Größe 34 produziert, denn Iraner sind klein und haben entsprechend kleine Füße. Ab Größe 35 trugen Mädchen Frauenschuhe, und die waren genauso schlecht gemacht, aber noch scheußlicher und immer mit Absatz.
    »Aber was mache ich, wenn der Typ morgen wieder da steht?«
    »Ach, schrei ihn an, du rufst die Polizei, dann geht der schon … hast du viele Schulaufgaben? Wir könnten später zur Schneiderin.«
    »Echt? Super! Nein, keine Schulaufgaben.«
    Was hatte sie erwartet?
    Dann ging sie in die Küche und rief, ich solle mir die Hände waschen, damit Massume Chanum das Essen servieren konnte.
    Das Thema war für sie beendet.
    Auf dem Weg zur Schneiderin kauften wir eine französische Modezeitschrift. Ich suchte mir noch während der Fahrt aus den todschicken Erwachsenensachen in dem Heft zwei Winterkleider, einen Karorock, zwei Hemdblusen, eine Blouson-Jacke aus dunkelblauem Wollstoff und einen roten Wintermantel aus.
    Die Schneiderin hatte viele wunderschöne Stoffe, ich suchte passendes Material für meine Sachen aus, und für einen Stoff hatte ich einfach keine Idee. Es war ein weißer Chiffon mit daraufgenähten, kleinen bestickten Schmetterlingen. Die Flügel der Schmetterlinge konnten sich bewegen und waren mit winzigen Perlen bestickt.
    »Der Stoff ist aus Paris«, sagte die Schneiderin hoheitsvoll.
    »Wenn du willst, können wir dir ein Abendkleid daraus machen. Wir sind auf einer Hochzeit eingeladen.«
    Meine Augen weiteten sich: »Und da darf ich mit?«
    Ich war es

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