Hinter dem Mond
war wieder alles anders. Es gab also genug andere Probleme in diesem Land, als ein paar Leute, die in Palästen wohnten, fand ich.
Und tatsächlich sah das Haus meines Großvaters in Teheran aus wie ein kleiner Palast, wenn ich ehrlich war. Es war innen und außen komplett aus weißem Marmor mit lauter weißen Säulen, etwa so wie bei Julius Cäsar in Asterix . Auch hier überall gigantische Spiegel mit blinkendem Kristall, natürlich sehr viele alte Teppiche und Stilmöbel aus Russlands Zarenzeit.»Das ist unbezahlbar, nicht dieser neureiche Quatsch, den hier alle haben«, sagte meine Mutter von oben herab zu mir, als wäre ich eine Neureiche.
Es war Ende Oktober und schon zu kalt, um im Pool zu schwimmen. Mein Großvater zog sich zum Mittagsschlaf zurück, und ich ging mit meiner Mutter in einen der Salons, um ihr von meiner Party zu erzählen. Meiner Mutter gefiel mein Bericht überhaupt nicht.
»Du musst jetzt nicht von Party zu Party tingeln. Du bist erst dreizehn. Was hast du dort überhaupt verloren? Lasch gehen auf Partys! Bist du lasch? Du sollst für die Schule lernen! Sonst bleibst du wieder sitzen.«
Sie hatte die genervte Falte auf der Stirn. Nie freute sich jemand für mich.
»Aber Angela war doch auch da«, nölte ich, um sie zu beruhigen.
»Ja, weil du das arme Mädchen hingeschleppt hast. Sie wäre sonst nicht hingegangen!« Da hatte sie allerdings recht. Ich war an allem schuld.
Dann wollte sie wissen, was mein Vater tat.
»Er sagt, er will ein Internat in der Schweiz für mich aussuchen«, rief ich, froh, das Thema zu wechseln, »weil er deutsche Internate nicht gut genug findet.«
Die Aussicht, weg aus Teheran zu gehen und allein in einem Internat, egal wo, leben zu können, war für mich trotz aller Verliebtheit immer noch der Gipfel des Glücks.
Meine Mutter verzog das Gesicht und sagte verächtlich: »Der wird dich nirgends hinschicken, sei doch nicht so blöd! In die Schweiz! Ganz bestimmt!«
Sie schnaubte abwertend, als hätte ich von einem Flug ins All gesprochen.
»Der schiebt dich zu seiner Mutter ab, wenn wir geschieden sind, und heiratet bald eine andere, die sicher große Lust auf dich hat. Und dann viel Spaß.«
Das Riesenproblem war, dass das iranische Scheidungsgesetz vorschrieb, Kinder über sieben Jahren müssten beim Vater leben. Auch wenn der Vater drei Geliebte, keine Arbeit und nie Zeit hatte oder seine Kinder nachgewiesen täglich schlug. Es gab keine Ausnahme. Die Mütter hatten überhaupt keine Rechte auf ihre Kinder, was zur Folge hatte, dass die Frauen meistens selbst die schlimmste Ehehölle ertrugen, nur um bei ihren Kindern bleiben zu können. Natürlich könnten die Männer so großzügig sein und die Kinder bei den Müttern lassen, da sie ja ohnehin keine Zeit für sie hatten, denn persische Männer arbeiteten mindestens sechzehn Stunden am Tag und meistens auch am Wochenende. Urlaub und Ferien gab es nur in der Oberschicht. Aber so großzügig waren persische Männer nicht. Sie waren genau das Gegenteil: fies und rachsüchtig und machtbesessen. Sie behielten die Kinder, nur um die Frau zu quälen und zu erniedrigen, dafür dass sie es wagte, ihn verlassen zu wollen. Jeder persische Mann dachte, er sei der beste Mann der Welt, nur die Frau sei verrückt. Und seine ganze Sippe bestätigte ihn ständig in diesem Glauben und manipulierte ihn, sich bloß nichts von der Frau gefallen zu lassen. Mein Vater war natürlich auch so. Mich bei meiner Mutter zu lassen, wäre für ihn ein Eingeständnis von Schwäche gewesen. Kein Mann überlässt die Erziehung seiner Kinder einem minderwertigen Wesen wie seiner Exfrau. So mussten die Kinder immer zum Mann, der sie zu seiner Mutter oder neuen Ehefrau abschob, wo die Kinder natürlich die Hölle durchmachten. Es war für persische Frauen normal, die Kinder aus der ersten Ehe schlecht zu behandeln. Sich als Stiefmutter mit den Kindern gutzustellen, war überhaupt nicht üblich. Es war ja die Feindesbrut. Meine Mutter hatte das am eigenen Leib durchgemacht. Viele Väter verboten nach der Scheidung den Kindern sogar den Kontakt zu den Müttern. Da hatte meine Mutter leider recht, und meinem Vater war auch alles zuzutrauen. Er konnte mit mir machen, was er wollte. Kein Gericht würde mich als Dreizehnjährige fragen, ob ich bei ihm oder meiner Mutter bleiben wollte, wie in Deutschland üblich. Das hatte sich der Staat fein ausgedacht, auch hier hätte ich dem blöden Schah gern ein paar Reformen vorgeschlagen.
Ich hasste
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