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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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dieses Land immer mehr mit seinen schrecklich ungerechten Gesetzen.

    Als ich am Donnerstagnachmittag vor dem Park aus dem Taxi stieg, liefen mir fünf junge Typen sofort hinterher, riefen mir unglaublich ekelhafte Dinge zu und machten dazu schnalzende Geräusche. Ich lief mit gesenktem Blick so schnell ich konnte zu der Skater-Rampe, und als ich dort endlich die Jungs aus meiner Schule sah, wurde ich mutig, drehte mich um und schrie: »Ich bin dreizehn. Verpisst euch! Man sisdah salame, berin gomschin!«
    Sie lachten und riefen: »Ach Djun …« (Frei übersetzt: wie geil)
    Mir war das unendlich peinlich vor den ganzen Jungs, ausgerechnet hier als schwaches Opfer aufzutauchen, das nicht einmal in der Lage war, sich ein paar Idioten vom Hals zu halten.
    Doch merkwürdigerweise verschwanden die fünf in dem Moment, als sie sahen, dass ich von den Skatern freudig begrüßt wurde. Armin war auch schon da, kam sofort zu mir und zeigte mir stolz einen megadicken schwarzen Edding.
    »Geil«, sagte ich. Geil war mein neues Lieblingswort.
    Ich werde den ganzen Park taggen, sagte Armin und schmierte seinen Namen neben die Stelle, wo ich saß.
    Er taggte sein Brett, die Bretter der anderen Jungs, dann sah ich, dass die Betonwände und Mauern schon sorgfältig von ihm getaggt waren. Ich saß alleine auf der Mauer, sah den Jungs beim Skaten zu und war glücklich.
    Außer mir waren keine anderen Mädchen da. Skaten war Männersache.
    »Willst du mal fahren?«, fragte mich Armin mit dem rechten Fuß auf dem Board und machte mit seinem Edding komische Moves vor meinem Gesicht.
    Ich schüttelte den Kopf. Ich traute mich nicht, nicht hier, vor versammelter Mannschaft.
    »Dann lass uns ein Eis essen.« Er grinste mich an und war ungewöhnlich beschwingt und locker. Gar nicht so unerreichbar wie sonst.
    Wir gingen los, in Richtung eines der Cafés, die im Park waren. Ich trug sein Flugzeug-Aluminium-Board, und Armin taggte jeden Mülleimer, jede Bank und alle paar Meter die niedrigen Betonmauern, die die Grünanlagen umsäumten. Seine Tags waren nicht die Einzigen. Irgendwelche Leute hatten schon mit Farbe: Marg bar Schah (Tod dem Schah) und Marg bar Amrika (Tod Amerika) auf viele der Betonflächen geschmiert. Armin setzte neben jede dieser Schmierereien fein säuberlich sein Tag. Irgendwann hatte er sich so in Rage getaggt, dass er mir, kurz bevor wir das Café erreichten, einfach mein Sweatshirt vorne hochzog und mit schwungvollen Bewegungen seinen Namenszug auf den nackten Bauch schrieb.
    »Jetzt gehörst du mir!«, sagte er auf Persisch und bog sich dann so sehr vor Lachen, dass ein paar Frauen mit Kinderwagen sich nach uns umdrehten und uns böse mit zugekniffenen Augen ansahen. Ich blickte mit rotem Kopf hinab auf meinen Bauch: Da stand in fetten schwarzen Lettern »Armin« auf meiner braunen Haut.

    Am nächsten Tag ging ich mit meiner Mutter und ihren Freundinnen zum Mittagessen in den Schahanschahi-Club.
    Wir saßen im Garten, um uns herum lauter gut angezogene Menschen. Freitags im Schahanschahi-Club zu essen war einfach superchic. Ich hatte mir wie immer Schnitzel und Pommes bestellt und hörte den Frauen zu. Sie redeten erst über die Ehe meiner Eltern, dann über die Demonstrationen, dann wieder über die Zukunft meiner Mutter ohne Mann.
    »Und was sagt sie dazu, wenn du dich scheiden lässt?«, fragte Farideh mit einem Seitenblick auf mich. Sie hatte ein breites Seidentuch im Haar, aus demselben Stoff wie ihre Bluse. Der Knopf über dem Busen spannte ein wenig, und der Stoff zog sich auseinander, sodass man etwas von der rosa Spitze ihres BHs sehen konnte.
    »Ach, sie ist dafür, weil sie denkt, ihr Vater schickt sie auf ein Internat in die Schweiz«, sagte meine Mutter etwas abfällig, ohne mich anzusehen. Sie trug ein Hemdblusenkleid im Safari-Stil, hohe braune Stiefel und sah super aus.
    »Willst du wirklich alleine ins Ausland in ein Internat?«, fragte mich Farideh ungläubig.
    »Ja, es ist mein größter Wunsch!«
    »Sie hat keine Ahnung. Sie denkt, im Internat ist es so wie bei Hanni und Nanni . Sie wird weinen.«
    »Nein, werde ich nicht!«
    »Was machst du dann mit deinem geliebten Armin?«, höhnte meine Mutter. Und dann zu den anderen: »Sie ist verliebt. In einen …« Sie nannte seinen Nachnamen.
    »Oooh« und »Aaah« machten die beiden Frauen.
    Ich wurde rot.
    »Und? Hat er dich schon gefragt, ob du ihn heiratest?«
    »Sag uns rechtzeitig Bescheid, damit wir uns anständige Kleider kaufen können!«
    »Wann

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