Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
Vom Netzwerk:
wäre auch verboten. Und Ergee sollte bitte auch eine Fabrik bauen mit schönen Socken und dem gelben Küken, und die Starlight-Fabrik mit ihren Kratzsocken aus Stahlwolle würde ich in den Arsch treten. Ich würde dafür sorgen, dass bessere Filme im Fernsehen laufen, und ein paar coole Magazine gründen, in denen alles stand, was man wissen musste, und zwar auf glattem Papier gedruckt, wie der Stern und die Quick und nicht auf ekligem Klopapier wie die einzige Frauenzeitschrift Persiens, Sane Ruz (Frau von heute), die zur Hälfte aus total unbrauchbaren Kochrezepten bestand, die lieblos aus amerikanischen Magazinen herauskopiert waren und nichts mit den persischen Essgewohnheiten zu tun hatten, und zur anderen Hälfte aus Kreuzworträtseln. Ich hasste Kreuzworträtsel und wurde aggressiv, wenn meine Mutter welche vollkritzelte. Das machen nur dumme Hausfrauen, sagte ich immer sauer und nahm ihr das Heft weg. »Dumm bist du selber«, sagte sie dann. Den Männern würde ich verbieten, die Frauen auf der Straße so schlimm anzustarren und zu belästigen. Und den Frauen nahelegen, einen coolen Beruf auszuüben. Zum Beispiel könnten sie schicke Restaurants eröffnen, Boutiquen, Kinderärztin werden oder schöne Kaufhäuser besitzen. Oder Friseursalons! Ich fand es komisch, dass außer der Geliebten meines Opas keine einzige Frau in meiner Umgebung einen Job hatte. Und der Minijob meiner Mutter auch so einen Skandal ausgelöst hatte. Aber immerhin studierten ihre Schwestern in London, was außer mir auch keiner richtig fand. Ich selbst schwankte bei meiner Berufswahl immer noch zwischen Schauspielerin und Schriftstellerin, aber auf jeden Fall wollte ich nach der Schule in Deutschland Germanistik studieren, weil ich Deutsch immer mehr liebte, seit wir den tollen Deutschlehrer hatten, der mich wiederum liebte, weil ich eine der wenigen in der Klasse war, die mit Begeisterung seinem Unterricht folgte oder überhaupt folgen konnte. Die meisten von uns waren vollkommen überfordert, wenn er mit Grammatik anfing. Seit ich denken konnte, stellte ich mir einen Beruf vor. Einmal, es war Jahre her, fragten mich Freunde meiner Eltern, was ich werden wollte, und ich antwortete: Tänzerin. Da zuckten beide zusammen und schüttelten ärgerlich die Köpfe.
    »Du wirst doch nicht Tänzerin«, fauchte meine Mutter.»Du gehst auf die Universität und studierst etwas Anständiges.«
    Aber niemand sagte je zu mir: »Du musst heiraten.« Oder: »Wir müssen einen guten Mann für dich finden.« Es ging immer um eine Karriere für mich, ein großartiges Studium, um Bildung und Wissen. Meine Eltern fanden meine Idee, Germanistik zu studieren, bis jetzt völlig in Ordnung. Deshalb wusste ich nicht, warum die Frauen heiraten, aber keinen Beruf haben wollten. Unsere Nachbarin hatte in Wien Medizin studiert und eine eigene Praxis. Ihr Mann war Architekt, immer tadellos in eleganten Anzügen gekleidet, und kümmerte sich um die kleine Tochter. Sie brachte das meiste Geld nach Hause und hatte deshalb auch mehr Macht zu Hause. Sie tat nichts, außer in die Praxis zu gehen. Um kochen, einkaufen und das Kind musste der Architekt sich kümmern. Das fand meine Mutter chic.
    »Ach, ich wünschte, ich hätte auch Medizin studiert.«
    »Warum hast du nicht, Mama?«
    »Weil du gekommen bist.«
    »Aber als ich in die Schule kam, warst du erst 25, warum hast du da nicht angefangen, Medizin zu studieren?«
    »Weil dein Vater mich nicht gelassen hat.«
    »Na und? Warum hast du’s nicht trotzdem gemacht?«
    Ich verstand nicht, wie meine Mutter sich überhaupt irgendetwas von meinem Vater verbieten lassen konnte. Aber wahrscheinlich wollte mein Vater der einzige Star in der Familie sein, und vielleicht wäre meine Mutter sogar eine noch bessere Ärztin geworden. Die anderen Frauenberufe wie Lehrerin, Krankenschwester oder Sekretärin übte auch niemand in meinem Umfeld aus. Eigentlich hatte die Hälfte des Landes in Persien keinen Beruf. Vielleicht ging deshalb nichts vorwärts, weil die Frauen nur rumsaßen und meckerten?
    Außerdem war da noch die Sache mit dem Sawak. Wenn das wirklich stimmte, dass es einen Geheimdienst gab, der entsetzlich folterte, wollte ich mit dem Schah nichts zu tun haben. Aber man wusste nicht, was von dem ganzen Gerede stimmte und was erfunden war. Perser waren immer hysterisch. Ich glaubte schon lange niemanden mehr ein Wort. Man konnte sich auf niemanden verlassen, was geredet wurde, hatte einfach keine Bedeutung. Am nächsten Tag

Weitere Kostenlose Bücher