Hinter dem Mond
feuchte Bikini unter meinem maßgeschneiderten, rot-weiß gestreiften Sommerkleid hatte auf dem Baumwollstoff nasse Flecken hinterlassen. Ich hatte das Kleid an der wunderschönen Margaux Hemingway, natürlich in der Vogue , gesehen und sofort nachschneidern lassen und mir dazu auch gleich passende Sandalen anfertigen lassen, natürlich auch rot-weiß, und auch aus der Vogue . Vor mir stand ein großer Teller mit rosa Honigmelonenstücken und Erdbeeren, an meinem rechten Handgelenk klimperten zehn goldene Armreife, am linken meine goldene Longines-Uhr mit einem Band aus braunem Eidechsenleder. Mein Vater hatte sie mir vor ein paar Wochen einfach zum Ärger meiner Mutter geschenkt. Sie fand, ein Schulmädchen sollte nicht so eine Uhr tragen. Die Uhr hatte auch schon im Notunterricht für Aufsehen bei den anderen Mädchen gesorgt.
Wir saßen auf der Terrasse unter dem Sonnenschirm, es war später Nachmittag und nicht mehr so heiß.
»Wieso?«
»Willst du wirklich dein Modepuppen-Leben gegen ein hartes Internat mit strikten Regeln im feuchten und kalten England tauschen? Morgens um sechs aufstehen, kein eigenes Zimmer, schlechtes Essen und immer zu wenig, keiner kocht extra für dich, viel Sportunterricht statt Swimmingpool, und in England musst du eine Uniform tragen, da brauchst du nicht mehr jeden Morgen eine Stunde vor dem Schrank zu stehen: Ich hab niiiichts aaaanzuziehen … Ich schwöre dir, Lilly, du wirst uns nach drei Wochen heulend anrufen: Ich will nachhaaaauuuuuuseeeee.«
Mit dem Sport und der Uniform hatte sie natürlich recht. Aber ich wollte trotzdem lieber nach England. Wir hatten eine London-Reise unternommen, kurz bevor wir nach Teheran zurückgingen, und es hatte mir damals sehr gut gefallen. Besonders die großen roten Busse und der ganze Luxus bei Harrods hatten es mir damals angetan. »Nee, ich heul doch nicht! Niemals!«
»Ach, du denkst, das ist Hanni und Nanni … das ist Drill, meine Liebe! Da interessiert sich niemand für Prinzessin Lilly auf der Erbse, die gehen dort nicht auf deine Allüren ein, ich esse dies nicht, ich esse das nicht, das ziehe ich nicht an, das kratzt, das will ich nicht, und alle Lehrer sind Scheiße …«
Oh Mann, dachte ich, und dann alles auch noch auf Englisch. Und so richtig schlimm scheiße war es im Moment in Teheran eigentlich auch nicht. Aber jetzt freute ich mich erst mal auf die Reise. Drei Wochen England! Nach viereinhalb Jahren hinter dem Mond endlich wieder in die richtige Welt, wenn auch nur kurz.
7
Z urück in Teheran, ließ ich meinen großen Koffer aufgeklappt mehrere Tage mitten in meinem Zimmer liegen. Ich hatte von den drei Wochen in England bestimmt zwei komplett bei Harrods verbracht und den Rest in einem anderen schönen Kaufhaus, Liberty’s. Vor mir standen die neuen Schuhe aufgereiht. Acht Paar, Glanzstück in der Parade waren kniehohe Stiefel aus cremefarbenem Leder und eine Lederjacke von Daniel Hechter. Ich musste zwei Tage auf meine Mutter einreden, bis sie mir beides kaufte. Sie sagte die ganze Zeit in London immer dasselbe: »Ein Schulmädchen trägt so was nicht.« Und: »Kämm dir die Haare.« Dabei hatten alle coolen Mädchen in London lange gewellte Haare und einen Mittelscheitel, so wie ich. Wäre es nach ihr gegangen, hätte ich nur zwei Schottenröcke und eine weiße Bluse bekommen und natürlich immer die Haare zu einem strengen Zopf gebunden, am besten noch mit einer peinlichen Haarspange.
Jetzt hatte ich die neuen, schönen Sachen schon alle vorsichtig im Schrank verstaut, den Rest auch noch aufzuräumen, hatte ich keine Lust mehr.
»Wie lange soll das noch hier so rumliegen?« Meine Mutter kam rein und klatschte in die Hände: »Hopp, hopp, das räumen wir jetzt schnell auf!«
Bevor ich etwas tun konnte, hatte sie sich schon hingekniet, ein paar Jeans und Unterhosen aus dem Koffer genommen, und da lagen sie, die beiden großen Familienpackungen Tampax.
Sie nahm ungläubig die Schachteln in die Hand, sah mich entsetzt an und rannte raus. Dann hörte ich sie im Flur auf Persisch schreien:
»Saaaiiid, die benutzt Tampax!«
Ich dachte, ich hör nicht richtig. Das konnte die doch nicht meinem Vater erzählen! Und dann auch noch so indiskret, direkt vor meinen armen Ohren. Ich schämte mich zu Tode und hasste sie für ihren Egoismus. Was ging sie das an, ob ich Tampons benutzte oder nicht? Ich wusste, dass sie gegen Tampons war, aber dass sie das so ernst nimmt, hätte ich nicht gedacht. Es ging ihr doch wie immer nur
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