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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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deshalb lernte ich so auch noch neue Leute kennen. Im Februar verließen der Schah und seine Farah das Land, meine Eltern waren bestürzt, die beiden im Fernsehen in ihren Privatjet steigen zu sehen, auf dem Weg ins Exil nach Ägypten. Farah sah wie immer großartig aus, sie trug einen kamelfarbenen Kaschmirmantel mit breitem Fuchsschwanzkragen und ein Seidentuch im Haar und sah trotz der ernsten Miene nicht nach Revolution und Flucht, sondern nach Jetset und Vogue aus. Man merkte aber beiden an, wie sie unter allergrößter Anstrengung Fassung bewahrten.
    Abends fuhren dann laut hupende Autokolonnen durch Teherans Straßen, und die Idioten jubelten und schrien: »Schah raft, Schah raft!« (Der Schah ist weg) und feierten ein Freudenfest, schmierten noch mehr Parolen auf die ohnehin schon komplett zugeschmierten Wände, Hausmauern und Tore der Stadt. Es gab keine einzige freie Mauer mehr, hatte ich auf den langen Fahrten zum Notunterricht festgestellt. Selbst auf die schmalsten Pfosten und kleinsten Mauern hatte irgendein Idiot »Marg bar Schah« geschmiert. Alle, die ich kannte, blieben schockiert zu Hause, sahen den beiden ungläubig zu, wie sie in ihr Flugzeug stiegen und in eine ungewisse Zukunft flohen, und waren deprimiert, beschämt und verängstigt. Ich kannte niemanden, der sich über das, was hier geschah, freute oder feierte, weil der Schah gegangen war und uns unserem Schicksal überlassen hatte.
    Ich fand es scheiße, dass die beiden abgehauen waren. Sie hatten das Volk mit Verrückten im Stich gelassen. Aber sie mussten gehen, sagten meine Eltern. Die Amerikaner und Engländer hatten schon den Vater des Schahs entmachtet und jetzt ihn. Sie hätten ihm gesagt, wenn er nicht ginge, würden sie ihn töten. Ich glaubte ihnen nicht. So etwas Peinliches würden doch die Amerikaner und die Engländer nie sagen. Das waren doch wieder nur persische Ausreden.
    Auch wenn ich den Schah immer blöd fand, war ich traurig, dass alle weg waren, seine Kinder und die ganzen schicken Hofschranzen. Außerdem hatte ich Farahs tadellose Erscheinung gemocht. Sie würde mir fehlen. Meine Mutter hätte es niemals geschafft, auf der Flucht so phantastisch auszusehen. Sie hätte etwas Bequemes angezogen und ihre Haare zusammengebunden.
    Chomeini hatte mit einem Haufen seiner durchgeknallten Groupies ein Flugzeug im Exil in Paris bestiegen und war gleich nach Teheran geflogen, als die Luft rein war. Nach zwanzig Jahren Exil zurück, um allen die Laune zu verderben, der lästige Hund. So feierten kurz nach dem Abgang des Schahs dieselben Leute auf den Straßen die Ankunft ihres Führers, eines alten, fürchterlichen Greises mit langem grauen Bart und Turban. Es war in diesen Wochen eine endlose Feierei, obwohl es nichts zu feiern gab, durchsetzt mit Koransuren und ganz viel Alla oh Akbar , was jetzt plötzlich ständig aus allen Minaretten schmetterte.

    Als es wärmer wurde, sprangen wir nach dem Unterricht in die Pools unserer Notschulen. Eigentlich war es jetzt viel besser als vorher in der Schule, wenn ich ehrlich war, war das Leben gerade gar nicht so schlimm. Und ich konnte sehen, wie viel kitschiger als wir die anderen wohnten, gerade die, von denen ich es nie gedacht hätte, und wie unglaublich reich ausgerechnet die Eltern der unscheinbarsten Streber waren, die ich normalerweise nie besucht hätte. Die Streber schleimten sich jetzt bei den Lehrern so richtig ein, meldeten sich die ganze Zeit, wenn wir zu zehnt an einem langen Esstisch mit einer Obstpyramide in der Mitte saßen und machten sogar die Hausaufgaben. Mich deprimierte es, auf so engem Raum mitanzusehen, wie gleichaltrige Leute vollkommen sinnlos den Erwachsenen in den Arsch krochen, anstatt froh zu sein, dass die Erwachsenen so viele andere Probleme hatten, dass sie keine Zeit für uns hatten. Auch die Schule hatte keine Zeit und uns einfach schon mal alle versetzt. So hatte diese Revolution auch ihre guten Seiten.
    Ich traf sogar alte Bekannte wieder. Bei Hedwig, die Hedi genannt wurde und einen lustigen österreichischen Akzent hatte, stand in der Küche eine Kiste mit einem riesigen, schwarz-weißen Fellbeutel und etwas Heu drin. Ich sah, wie der Fellbeutel monoton an einer Karotte mümmelte.
    »Ist das ein Hase?«, schrie ich. »Gibt es Hasen in der Größe? Oder ist das der Hase aus Alice im Wunderland ?«
    Ich versuchte, den schweren Fellbeutel hochzuheben, er wog bestimmt doppelt so viel wie Mr Molly, der exakt dreieinhalb Kilo schwer war, was ich

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