Hinter der Milchstraße - Roman
Stimme war dünn.
Ich sagte: »Wo ist Geesje jetzt?«
Der Dielenboden war noch nie so gründlich geschrubbt worden. Alle Ecken, alle Ritzen, alle Stellen, die eine Bürste gern erwischt.
»Sie ist mit ihrem Vater weggegangen«, sagte Geesjes Mutter nach einer Weile. »Es muss alles Mögliche erledigt werden.«
»Natürlich«, sagte ich.
Ich dachte nach, fühlte, wie mein Mund aufging, um etwas zu fragen, aber ich hatte einen Kloß im Hals. Einen Kloß aus Staub und einer Taubenfeder und einem Marienkäferchen.
Ich hustete.
»Wann kann ich sie sehen?«
Geesjes Mutter wischte sich mit dem Handrücken eine Locke aus dem Gesicht. Das Gummi von ihrem Handschuh quietschte.
Das Seifenwasser stand schon eine ganze Weile still. Nichts lief über die Schwelle. Nichts lief zwischen meinen Füßen hindurch.
Ich erwartete, dass die Antwort von Geesjes Mutter deutlich ausfallen würde. Dass sie sagen würde: Geesje will euch eigentlich nicht mehr sehen, aber vielleicht wird sie euch irgendwann vergeben können. Vielleicht wird sie bis zum nächsten Sommer alles vergessen haben, nun, da du es weißt, möchte ich, dass du verschwindest, damit ich weiterarbeiten kann.
»Vielleicht schon morgen«, sagte Geesjes Mutter. Sie hielt die Luft an, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Vielleicht übermorgen.« Sie fügte hinzu, ich müsse selbst entscheiden, wann ich sie wiedersehen möchte. »Du solltest besonders lieb zu ihr sein, wenn du sie siehst.«
Ich nickte. Es war mir noch nie eingefallen, eine Verbeugung vor Geesjes Mutter zu machen. Dort im Vorgarten tat ich es plötzlich. Ich dachte gar nicht darüber nach. Ich verbeugte mich so tief, als wäre sie eine Königin mit ihrer Sonnenbrille und ihren orangefarbenen Handschuhen und dem schwarzen Kleid unter der Schürze.
»Ich werde daran denken«, sagte ich. »Vielen Dank.« Ich wartete, ob sie noch etwas sagen würde, aber da kam nichts.
Ich schob mich rückwärts zum Gartentor, drehte mich um und machte es mit gesenktem Kopf hinter mir zu. Ein paar Schritte weiter warf ich einen Blick über die Schulter zurück, und was ich dachte, stimmte: Geesjes Mutter stand auf der obersten Stufe und schaute mir nach. Sie hatte die Sonnenbrille nach oben auf den Kopf geschoben und hielt die Hand an den Mund. Sie rief mir etwas hinterher.
»Die Beerdigung ist am Samstag! Sag’s deinem Vater!«
Es war, als hätte sie mir einen Eimer Seifenwasser nachgeworfen. Ich wiederholte die Worte im Kopf, ich musste sie ein paarmal wiederholen, bevor ich sie verstand, und dann war es zu spät, um zur Seite zu springen, die Nachricht von Geesjes toter Tante traf mich mitten ins Gesicht.
»Oh«, brachte ich gerade noch heraus.
Auf dem ganzen Weg nach Hause murmelte ich: »Oh.«
Niemand hörte mich, weil ich es zum Boden sagte.
WIRRWARR
Neben Papas Teller lagen ein Bleistift und ein Stück Papier, auf dem er die Einkaufsliste angefangen hatte. Unter den Wörtern Lauch und Fleisch und Bitterschokolade stand in großen Buchstaben TUN und darunter: Bücher einbinden. Er war nicht weitergekommen mit der Aufzählung, weil die Zeitung ihn abgelenkt hatte.
Papa las nur die großen Artikel, weil er selbst solche schrieb.
Wenn irgendwo ein Baby mit zwei Herzen geboren wurde, hatte er den Bericht nicht gelesen.
Wenn irgendwo ein Mann vier Stunden lang zwischen zwei Gebäuden über ein Seil gelaufen war – mit nackten Füßen –, wusste er nichts davon.
Ich erzählte ihm einmal von einer Frau, die sich im Schlaf den eigenen Finger abgebissen hatte. Bossie hatte mich auf den Zeitungsbericht aufmerksam gemacht. Papa klatschte nicht vor Verwunderung in die Hände, als er diese Geschichte hörte. Er schimpfte mit meinem Bruder, ob er nichts Wichtigeres zu lesen gefunden hatte, und mit mir schimpfte er, weil ich so belangloses Zeug auch noch weitererzählte.
Als ich in die Küche kam, warf er mir über seine Brille hinweg einen Blick zu, las aber gleich weiter.
Ich musste mich ihm gegenübersetzen, bevor er merkte, dass ich nicht lange weg gewesen war. Die Zeit von einer halben Einkaufsliste und einem halben Zeitungsartikel ohne Fotos.
Er schaute auf die Uhr und legte seine Brille auf den Tisch.
»Wo ist Geesje?«
Meine Augen brannten. Ich hörte die Bürste von Geesjes Mutter durch meine Gedanken schrubben. Ich sah die Nachricht von der toten Tante noch einmal auf mich zukommen.
Ich sagte: »Mit ihrem Vater weggegangen.«
Papa stellte mir den Becher und den Teller, die für Bossie
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