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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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»Sie müssen sie lesen und selbst urteilen. Zum Beispiel der letzte. Über Mutters Witzchen, ihre irren kleinen Bemerkungen, die Hälfte ganz sinnlos. Aber sie lächelte und lachte, als kämen ihr die Worte schrecklich lustig vor. Vater schrieb, dadurch sei er überhaupt darauf gekommen, daß sie den Verstand verlor. Nicht wegen hysterischer Ausbrüche oder weil sie nackt auf die Straße gelaufen wäre – nichts dergleichen. Nur das ständige, sinnlose Lächeln auf ihrem Gesicht und die komischen kleinen Bemerkungen …«
    »Das ist nicht ungewöhnlich«, sagte Vanner. »Viele Geistesgestörte werden wieder wie Kinder und hoffen auf ein Lob für ihre klugen Äußerungen. Ich habe solche Leute in den Anstalten …« Er versuchte das Wort ungesagt zu machen.
    »Meine Mutter ist nie in die Anstalt gegangen. Das wußten Sie doch, oder?«
    »Ja.«
    »Sie fand die Vorstellung schlimmer als den Tod.«
    »Wahrscheinlich hatte sie eine ziemlich falsche Vorstellung von solchen Heimen. Sie stellte sich wohl so etwas wie das alte Bedlam darunter vor.«
    »Was heißt das?«
    »Bedlam ist eine Verkürzung von Bethlehem. Bethlehem Royal Hospital, das erste Asyl in England.«
    »Wir hatten Verwandte in England«, sagte Gail mühsam. »Aber das wissen Sie natürlich. Warum erzähle ich Ihnen Dinge, die Sie längst wissen?«
    »Das liegt an der Pille, die ich Ihnen eben gegeben habe.« Vanner lächelte. »Sie werden schläfrig davon.«
    »Meine Stimme klingt so weit weg. Ist das die Pille, die Bauchredner nehmen, wenn ihre Stimme weit weg klingen soll?«
    »Gail, ich glaube, wir müssen uns mal ernsthaft darüber unterhalten, was mit Ihnen los ist. Ich finde, es ist Zeit, daß wir der Frage offen ins Auge schauen und bestimmen, was getan werden muß.«
    »Getan«, wiederholte sie tonlos. »Getan-getan-getan. Hört sich an wie ein Trommelwirbel, nicht? Ein unheilvolles Trommelrasseln. Getan-getan-getan.«
    »Gail…«
    »Tut mir leid, tut mir leid«, sagte sie und griff nach seiner Hand. »Ich weiß, ich benehme mich dumm. Um ehrlich zu sein, ich hätte nicht zulassen dürfen, daß Sie mir noch so eine Pille geben – ich hatte schon eine mehr geschluckt, als ich sollte, eine mehr, als Sie mir verschrieben haben. Aber die Dinger haben mir geholfen, wirklich. Was ist denn darin, Doktor, Martinikonzentrat?«
    Vanner runzelte die Stirn und sagte: »Wir müssen wichtige Entscheidungen treffen, Gail, die wir nicht mehr aufschieben können. Wenn wir noch mehr Zeit vertrödeln, wird uns die Entscheidung vielleicht aus der Hand genommen.«
    »Mrs. Bellinger hat Eintopf gemacht«, sagte Gail. »Genug für eine ganze Armee. Wollen Sie nicht Rekrut werden, Doktor?«
    »Wir dürfen Ihre letzte Halluzination nicht ignorieren. Sie deutet auf eine ernsthafte Symptombildung hin. Sie zwingt mich, meine Diagnose zu revidieren, Gail. So gern ich behauptet hätte, die Krankheit sei nicht fortschreitend, kommen wir doch nicht um die Tatsachen herum.«
    Vanner erkannte, daß sie ihm nicht mehr zuhörte, und verfluchte sich innerlich, daß er ihr so voreilig eine Beruhigungspille gegeben hatte. Er hob ihr Kinn an und sah, daß das törichte Mädchen tatsächlich lächelte.
    »Gail, ich muß Ihnen irgendwie begreiflich machen, wie ernst die Lage geworden ist.«
    »Ja«, sagte sie. »Ich glaube wirklich, er hat es ernst gemeint.«
    »Er?«
    »Steve. Ich glaube wirklich, daß er es ernst gemeint hat. Er hat um meine Hand angehalten, oder habe ich Ihnen das noch nicht gesagt? Und wissen Sie was? Ich weiß nicht mehr, was ich ihm geantwortet habe. Ja oder nein. Ich bin sicher, daß ich nicht nein gesagt habe, oder? Hat er Ihnen etwas gesagt?«
    »Er sprach davon«, meinte Vanner kühl. »Doch wegen seiner ›Ernsthaftigkeit‹ hatte ich keine Zweifel. Er meint es nämlich nicht ernst. Er scheint der Ansicht zu sein, daß die Ehe eine Art Allheilmittel für Ihre Probleme wäre. Weit gefehlt. Die Ehe würde nur neue Probleme hervorrufen.«
    »Was haben Sie da gesagt?«
    Das verträumte Lächeln war verschwunden, worüber sich Vanner freute.
    »Ich habe gesagt, es war kein echter Heiratsantrag, Gail. Tut mir leid.«
    »O ja! Ich habe ihn doch deutlich gehört! Hier in diesem Zimmer!«
    »Nein«, sagte Vanner und schüttelte langsam den Kopf. »Ich fürchte, das war nur einer der Tricks von Mr. Tyner. Ein Mittel, von dem ich sehr bedauere, daß er es angewendet hat.«
    »Trick? Was für ein Wort ist denn das?«
    »Ein Wort, das wirklich die beste Bezeichnung für

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