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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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wo sie es vor wenigen Tagen verlassen, als sie sich auf geheimnisvolle Weise aus dem Elternhause entfernte. Dem Hausmeister, der mich einließ, trug ich mit kurzen Worten auf, seine Herrin von meiner Rückkehr zu benachrichtigen, und begab mich geradeswegs in Genofevas Zimmer.«
    »Ich hatte eben noch Zeit, einen raschen Blick auf meine Umgebung zu werfen, als Frau Gretorex eintrat. Die Scheu, welche mich bei ihrem Anblick ergriff, war schnell verschwunden; ich antwortete auf ihre Fragen, ließ mir die kostbaren Geschenke zeigen, die inzwischen eingetroffen waren, und nahm so viel Anteil an allem, was sie mir in betreff der Vorbereitungen zur Hochzeit mitzuteilen hatte, daß sie ganz heiter wurde und ihre Mißstimmung über meine Abwesenheit nebst der deshalb erlittenen Angst vergaß. Um mich nicht zu übergroßer Lebhaftigkeit fortreißen zu lassen, suchte ich die Unterredung möglichst abzukürzen, indem ich Ermüdung vorschützte.«
    »Erleichtert atmete ich auf, als die Dame sich entfernt hatte, und auf einen Sessel sinkend vertiefte ich mich nicht in die Betrachtung der zahllosen Schmuck- und Kunstgegenstände, deren Besitzerin ich jetzt war, sondern in das Anschauen von Doktor Kamerons Bild, welches ich auf den ersten Blick erkannt hatte, und das zu bewundern ich mich jetzt für berechtigt hielt.«
    »Als es Zeit wurde, mich anzukleiden, rief ich eines der Mädchen ins Zimmer, mir zu helfen, schickte sie aber bald wieder fort, da ich die Gegenwart einer Fremden in diesem Augenblick nicht ertragen konnte. Bald versetzte mich das Wagengerassel und Stimmengewirr der ankommenden Gäste in solche Aufregung, daß ich mich kaum zu fassen vermochte. Ein Blick in den Spiegel beruhigte mich jedoch wieder. Die strahlende, glückliche Braut, deren Bild erzurückwarf, erinnerte nicht an die arme Mildred Farley; es war Genofeva Gretorex, wie sie liebte und lebte, aber frei von gesellschaftlichem Zwang, im Vollbesitz aller Erdenlust.«
    »So sah mich Doktor Kameron auf der Schwelle meines Zimmers, und unsere Blicke begegneten einander in diesem Augenblick, dem schönsten meines Lebens, voll Entzücken. Als ich jedoch, während ich mit ihm sprach, den hellerleuchteten Gang hinunterschaute, gewahrte ich, was mir zuerst als ein Blendwerk meiner erregten Sinne erschien – Genofeva Gretorex' Gestalt, die auf mich zukam.«
    »Als sei ein Blitzstrahl von der gemalten Decke herabgefahren und habe so plötzlich den Boden zu meinen Füßen gespalten, so durchzuckte mich der Gedanke, daß sie gekommen sei, um ihre Rechte wieder geltend zu machen – meine Hoffnung, mein Glück und meine Liebe, alles war mit einem Schlage zertrümmert.«
    »Aber – ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist – mein Gewissen ist rein; ich hegte nichts Arges in der Seele wider meine Schwester. Die Türe schloß sich hinter uns, und wir standen einander mit der furchtbaren Frage gegenüber, wer von uns beiden die Schwelle als Braut überschreiten solle.«
    »Ich war wie zu Boden geschmettert; in meinen Blicken mochte wohl deutlich zu lesen sein, was in meinem Innern vorging, denn plötzlich rief Genofeva stockend: An deine Gefühle und wie du es aufnehmen würdest, Mildred, habe ich noch gar nicht gedacht – was soll daraus werden?«
    »Was ist denn geschehen? stammelte ich mit bebenden Lippen. Ist er nicht gekommen? Hat er –«
    »Sprich nicht von ihm. Er hat kein Herz, kein Verständnis, stieß sie in hartem Ton heraus. Er fühlt nicht, welches Opfer ich ihm bringen wollte. Nicht mir galt seine Liebe, sondern Herrn Gretorex' Tochter. Es ist aus zwischen uns für jetzt und in Ewigkeit.«
    »Ich brachte kein Wort heraus; unwillkürlich irrte mein Blick nach der Uhr hin.«
    »Es ist noch Zeit, rief sie, es kann nicht zu spät sein. Ich werde wieder, was ich früher war. Wenn ich verheiratet bin und tun und lassen kann, was ich will, sollst du meine Schwester und Gefährtin sein. Was ich besitze, soll dir gehören, jeden deiner Wünsche will ich erfüllen.«
    »Ach, ihre Worte waren kein Trost für mich, sie enthüllten mir den Zustand meines Herzens mit vollster Klarheit. Reichtum und Luxus lockten mich nicht mehr. Ich hatte alles verloren, die ganze Welt war schal und öde. Eine Purpurglut ergoß sich über meine Wangen, und ich wagte nicht aufzublicken.«
    »Mit weitgeöffneten Augen starrte sie mich an. Du liebst ihn, rief sie, ich bereite dir den gleichen Schmerz, der mich heute bis auf den Tod verwundet hat. Das kann ich nicht – lieber

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