Hinter verschlossenen Türen
nachdem ihr einziger Zeuge in das Grab gesunken war. – Nur durch eine entscheidende Tat seinerseits konnte er die furchtbare Frage ein für allemal aus der Welt schaffen. Er sah den tiefen Ernst in Gryces Mienen und beschloß, sofort zur Ausführung zu schreiten.
Auch ich möchte einen Versuch wagen, sagte er. Ihre Probe ist gelungen. Sie haben uns alle überzeugt, daß der Mädchenname meiner Frau Mildred Farley war. Ich begehre jetzt durch ein ähnliches Mittel den Beweis zu liefern, daß sie zwar den Namen, die Stellung, das Wesen ihrer Schwester angenommen hat, aber an deren Tode völlig unschuldig ist. Wollen Sie mich in das Krankenzimmer zurückbegleiten, Herr Gryce?
Der Detektiv zögerte, er war im Begriff, sich zu entfernen.
Ich weiß, was Sie vorhaben, sagte er, rate Ihnen aber, es zuvor reiflich zu überlegen. Es ist ein gewagtes Unternehmen.Auch brauchen Sie die Dame ja nicht notwendigerweise als Ihre Gattin anzusehen –
Was sagen Sie?
Kein Gerichtshof der Welt würde Sie zwingen, eine Ehe als gültig anzuerkennen, die auf so betrügerische Weise zustande gekommen ist.
Der Doktor ward rot, wandte den Blick ab und schwieg eine Weile. Dann entgegnete er mit Bestimmtheit: Sie ist mein Weib, und ich werde sie nicht verlassen, wie auch mein Versuch ausfallen mag. Ich hätte kein Recht, ihn anzustellen, wenn ich nicht bereit wäre, die Folgen mit ihr zu tragen.
Gryce nahm den Hut ab, ob aus Hochachtung, oder weil er zu bleiben gedachte, ließ sich nicht entscheiden.
Sie sind also fest dazu entschlossen und wollen mich zum Zeugen machen?
Ja, denn ich glaube an ihre Unschuld und will sie vor der Welt behaupten können.
Nach diesen Worten führte er Gryce in das Zimmer seiner Frau zurück. Sie werden nicht lange zu warten brauchen, sagte er, das Betäubungsmittel, das ich ihr gab, muß seine Wirkung bald verloren haben.
Die dürftigen schlechten Möbel waren aus dem Gemach entfernt worden und die frühere elegante Ausstattung wieder an Ort und Stelle gebracht. An Frau Olneys Platz saß die Wärterin, und von der seltsamen Umwandlung des Raumes, durch welche die nur halb zum Bewußtsein Erwachte sich wieder in ihre Mädchenzeit zurückversetzt geglaubt hatte, war jede Spur verschwunden. Auch die Ringe trug sie wieder an der Hand und auf dem Tischchen neben dem Bett tickte ihre Uhr, ein Geschenk Kamerons aus jenen glücklichen Tagen in Washington. Sie lag ruhig da, nur mit den Augenlidern zuckend und von Zeit zu Zeit die Glieder krampfhaft bewegend, als empfinde sie Schmerz oder Kummer.Der Doktor nahm den Sitz der Wärterin ein, welche aufgestanden war, faßte die rechte Hand der Kranken und beobachtete gespannt die Wirkung seines leisen Druckes. Nur Güte und Liebe sprachen aus seinen Zügen.
Bei seiner Berührung schien das in ihr schlummernde Leben neu zu erwachen. Sie schlug die Augen auf und starrte ihm mit wilden Blicken in das Gesicht, dessen freundlicher Ausdruck sich nicht veränderte, wie heftig auch der Sturm in seinem Innern tobte.
Oh, stammelte sie mit einem Seufzer innigen Entzückens, so war es also kein Traum, ich bin dein Weib, du bist mein Gatte, und –
Jetzt ward ihr die Wirklichkeit klar, Seelenangst malte sich in ihren Zügen; leben hieß nicht nur lieben! Die warme Färbung ihrer Wangen verschwand, wie von einem vernichtenden Eiseshauch angeweht. Der Doktor verwandte keinen Blick von ihr. Geht es dir besser, Mildred? fragte er.
Als er den Namen nannte, entrang sich ein dumpfer Schrei ihren Lippen; sie wollte sich aufrichten, sank aber vor Schwäche wieder in die Kissen zurück. Kameron warf unwillkürlich einen Blick nach dem Detektiv, der im tiefen Schatten an der andern Seite des Bettes stand.
So weißt du es? murmelte sie schwach.
Ja, war die Antwort, ich weiß, daß du nicht Genofeva bist, sondern ihre Schwester Mildred. Wie verwerflich mir aber auch die Täuschung erscheint und der Ehrgeiz, welcher sie anstachelte, sie zu begehen, so liebe ich dich dennoch und bin bereit, dir zu verzeihen.
Ein seliges Lächeln, ein Strahl des reinsten Glückes, der aus ihren Augen leuchtete, übergoß ihre Züge mit dem Glanz der früheren Schönheit.
Dann habe ich keinen Wunsch auf Erden mehr, rief sie; all mein Kummer ist vorbei. Ach, wie habe ich gezittert und gezagt, du würdest mich hassen, würdest mich vondir stoßen, wenn du entdecktest, daß ich durch einen Betrug in den Besitz deines Namens gelangt bin. – Große Tränen stahlen sich unter ihren Wimpern hervor und rollten
Weitere Kostenlose Bücher