Hinter verschlossenen Türen
ihr nach Frau Olneys Wohnung. Gelingt es mir, das Haus unbemerkt zu verlassen, so sage ich, sie habe unterwegs Gift genommen. Hält man mich hier an, um mich zu befragen, so erkläre ich, sie sei plötzlich krank geworden, und ich, ihr Arzt und ihr Bräutigam, wolle sie nach Hause bringen. Unter allen Umständen werde ich behaupten, daß sie Mildred Farley ist und bei dieser Aussage verharren, bis Sie mir selber Nachricht geben, daß Ihr Gatte die Wahrheit weiß, und es nutzlos ist, die Lüge langer fortzusetzen. Sie verstehen mich, Mildred? Gut, dann vergessen Sie nicht, daß Sie Genofeva Gretorex sind! Ich werde tun, was an mir liegt, um Sie vor Nachforschungen zu schützen. Ist dies aber nicht möglich, so seien Sie auf Ihrer Hut.«
»Kaum hatte er die letzten Worte gesprochen und das Giftflaschchen zu sich gesteckt, als wir auch schon meinen Gatten an die Tür klopfen hörten.«
»Löschen Sie das Licht aus; sprechen Sie draußen mit ihm, lassen Sie ihn aber unter keiner Bedingung das Zimmer betreten, hauchte Molesworth im Flüsterton.«
»Ich tat, was er mich hieß, und dann waren wir noch einen Moment allein.«
»Wo ist ihr Schleier? fragte er; ich muß ihr Gesicht damit verhüllen.«
»Ich sah mich vergebens danach um und reichte ihm den, welchen ich zu tragen dachte, dann raffte ich meine Kleidungsstücke zusammen und verließ eilends das Zimmer, in dem er zurückblieb. Ich betrat es nur noch einmal mit Peter, dem Diener, welchen ich anwies, meinen Koffer die Hintertreppe hinabzutragen. Dadurch wollte ich zugleich Doktor Molesworth, der im Hause fremd war, einen Wink geben, wie er selbst am besten hinuntergelangen könne. Die Hintertreppe war leer, die Dienerschaft im Vorderhaus beschäftigt, und Peter hatte ich befohlen, mich am Wagen zu erwarten; so hoffte ich, der Doktor werde den Weg frei finden. Was damals weiter geschehen ist, habe ich nie erfahren.«
»Meine Hoffnung, daß Doktor Molesworth sein Wagestück glücklich zu Ende geführt habe, ohne Argwohn zu erregen, ward nur zu bald zerstört. Der schwärzeste Verdacht erhob sich gegen ihn. Dann folgte eine Entdeckung nach der andern. Ich selbst wurde beargwöhnt. Meine Angst wuchs ins Grenzenlose; ich nahm meine Zuflucht zu Verstellung und Unwahrheit, um das Geheimnis zu behüten, von dem mein Glück und meine Ehre abhing. Bald aber zog sich das Netz, in das ich mich verstrickte, immer dichter um mich zusammen. Dem Polizeiinspektor, der nach dem Namen meiner Schneiderin forschte, sagte ich kühnlich, ich hättedie Kleider selbst angefertigt und mußte dann Doktor Kameron gegenüber die Lüge von dem Damenschneider ersinnen, da er wußte, wie gering Genofevas Geschicklichkeit in Handarbeiten war.«
»So sah ich mich von einer Täuschung zur andern getrieben, bis ich zuletzt mit Schrecken erkannte, daß ich auf dem besten Wege sei, durch solche Doppelzüngigkeit die Liebe und Achtung meines Gatten zu verscherzen. Von qualvoller Reue ergriffen tat ich einen Schwur, nie wieder von der Wahrheit zu weichen, und so kam denn zuletzt alles ans Licht. Ich kann das nicht beklagen. In meines Gatten Herzen ist zwar dadurch die Leidenschaft für die falsche Genofeva ertötet worden, aber aus der Asche dieses Gefühls hoffe ich die Liebe zu Mildred Kameron erstehen zu sehen, welche mit der Zeit das Glück meines Lebens ausmachen wird.«
»Mich dieses kostbaren Gutes würdig zu erweisen, soll von nun an mein höchstes Streben sein.«
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