Hintergangen
dann ja alles«, erwiderte Tom trocken.
Na ja, dachte Becky, er ist schon recht attraktiv. Nicht ihr Typ – sie hatte es gern etwas lockerer. Von der Bettkante stoßen würde sie ihn allerdings auch nicht, und er war ziemlich gut gebaut.
Um rasch das Thema zu wechseln, deutete Becky auf eine Mappe auf dem Rücksitz.
»Vielleicht wollen Sie da mal reinschauen. Ich bekam ein paar Fotos gemailt, während Sie bei der Leiche oben waren, und hab sie im Büro der Sekretärin ausgedruckt. Die Techniker meinten, es wäre okay, den Computer dort zu benutzen. Sind interessant.«
Tom war dankbar für den Themenwechsel, gutes Aussehen hin oder her. Er kannte Becky noch nicht gut, vermutete aber, dass die letzte Stunde für sie beide ziemlich aufschlussreich gewesen war. Dass sie ein Klatschmaul war, glaubte er allerdings nicht. Sie war zäh und ehrgeizig und würde seine Privatsphäre sicher respektieren. Was davon noch übrig war, jedenfalls.
Er schlug die Mappe auf.
Das erste Bild zeigte eine strahlende junge Frau. Langes, gewelltes Haar fiel ihr über die Schultern. Sie trug ein zinngraues seidenes Abendkleid, vorn tief ausgeschnitten und mit breiten Trägern, sie hatte eine fabelhafte Figur. Nicht bleistiftdünn, sondern schmal mit herrlichen Kurven. Was Tom am meisten auffiel, war ihr verblüffendes Lächeln. Es erhellte ihr ganzes Gesicht, und sie wirkte überglücklich. Becky sah zu ihm herüber.
»Laura Fletcher. Das wurde vor etwa zehn Jahren aufgenommen. Sie hatte grade ihren zukünftigen Mann kennengelernt, und das war ihr erstes Rendezvous in der Öffentlichkeit. Ist Ihnen das rote Haar aufgefallen? Ich hatte schon gedacht, das wäre ein Anhaltspunkt, wenn wir nicht von Laura Fletchers Italienaufenthalt wüssten.«
Daraufhin schaute Tom sich die restlichen Fotos an. In derartigen Fällen bestand immer die Chance, dass es die Ehefrau war, das machte sie zur Hauptverdächtigen. Allerdings gab es zu viele Dinge, die nicht passten, abgesehen von der Tatsache, dass sie sich anscheinend außer Landes befunden hatte. Die ganze Szenerie im Schlafzimmer, der Champagner, die Seidentücher – es sah nicht nach einem Stelldichein mit der Ehefrau aus, insbesondere da alles darauf hindeutete, dass sie sich selten in der Wohnung aufhielt. Eher nach einem geheimen Rendezvous mit einer Geliebten. Ehefrau außer Landes, die Woche über getrennt wohnend – die perfekte Gelegenheit für einen Besuch der anderen Frau, überlegte Tom.
Mittlerweile war er beim letzten Foto im Stapel angelangt, als er laut fluchte.
»Scheiße – was zum Teufel ist denn da passiert?«
»Ich dachte mir schon, dass Sie so reagieren würden«, sagte Becky. »Die anderen sind aber auch interessant. Die wurden über einen längeren Zeitraum hinweg gemacht, sie sieht aber irgendwie anders aus. Was denken Sie?«
Tom betrachtete die anderen Fotos. Auf keinem strahlte Laura Fletcher so heiter wie auf dem ersten. Ihre Kleider waren zweifellos kostspielig, aber irgendwie sah sie auf jedem immer weniger sexy aus. Immer noch wunderschön, aber dünner. Und auf dem dritten gestellten Foto war ihr Haar auf einmal nicht mehr rot, sondern brünett, was ihr gut stand. Irgendwie wirkte sie aber steif und verlegen. Sie trug ein Kleid, das ihr unvorteilhaft halb über den Busen hing und Flügelärmel hatte. Er widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem letzten Foto und wandte sich an Becky.
»Wissen Sie, wann das aufgenommen wurde?«
»Vor einem halben Jahr etwa, glaube ich. Anscheinend gibt es aus den letzten vier bis fünf Jahren nur wenige Fotos. Sie begleitete ihren Mann nicht mehr auf Veranstaltungen und war von Zeit zu Zeit immer wieder in privaten Pflegeheimen, Abteilung Psychiatrie. Wir wissen von zumindest einigen relativ langen Aufenthalten. Das letzte Foto wurde von einem sehr aufdringlichen Paparazzo gemacht, der in der Klinik gerade seine Mutter besuchte. Lady Fletcher erkannte er zwar nicht, aber den Wagen, der sie abholte. Hugo Fletchers Wagen hat ein spezielles Nummernschild.«
Wieder betrachtete Tom die Aufnahme. Die Frau auf dem Foto konnte man leicht für fünfzig halten, dabei wusste er, dass Laura Fletcher erst Mitte dreißig war. Sie trug ein Paar Hosen, das aussah, als wäre es mindestens zwei Nummern zu groß, dazu einen unförmigen Pullover und flache Schuhe. Ihr Haar war straff aus dem Gesicht gekämmt und von einem stumpfen Mausgrau – nicht rot. Sie sah blass und matt aus. Sie muss ziemlich krank gewesen sein, dachte Tom, um sich
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