Hintergangen
hatte, wusste sie nicht, aber jedenfalls nicht dieses.
Nachdem sie den Wagen etwas entfernt auf der Einfahrt abgestellt hatte, kam ein junges dunkelhaariges Mädchen in einem strengen schwarzen Hosenanzug über den Kiesweg zur Haustreppe.
In der offenen Tür stehend spürte Laura, wie sie leicht schwankte. Der Polizist sprang die letzten beiden Stufen herauf und griff sanft, aber beherzt nach ihren Armen.
»Kommen Sie, Lady Fletcher. Sie wollen sich bestimmt setzen.«
Sie sah, wie er dem Mädchen per Kopfnicken kurz ein Zeichen gab, worauf die sich geschickt an ihnen vorbeizwängte und im Hausflur verschwand.
»Bitte entschuldigen Sie«, sagte Laura. »Ich stelle mich normalerweise nicht so an. Es geht gleich wieder.«
»Sie stellen sich doch nicht an. Sie haben einen Schock. Wo geht’s zu Ihrem Wohnzimmer?«
Laura fühlte sich merkwürdig erleichtert, als sie seinen nördlichen Akzent hörte. Es schien eine Million Jahre her zu sein, seit in ihrem Leben alle so gesprochen hatten. Es erinnerte sie an ein unbeschwertes Leben.
Während der Polizist sie weiter am rechten Ellbogen hielt, wohl weil er befürchtete, sie könnte gleich umkippen, ging sie über die Steinplatten im Flur bis zum Wohnzimmer. Mit der düsteren dunklen Holztäfelung und dem tristen Mobiliar war es zwar nie ihr Lieblingszimmer gewesen, schien aber der geeignete Raum für diesen Anlass. Die junge Frau hatte offenbar die Küche gefunden, denn sie stand nun mit einem Glas Wasser in der Hand vor ihr.
Der Polizist führte Laura zu einem Sofa und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Das Glas wurde auf das Tischchen neben sie gestellt. Ihr war kalt, doch obwohl der Kamin für ein Feuer hergerichtet war und es bloß noch angezündet werden musste, fühlte sie sich nicht in der Lage dazu.
»Lady Fletcher, ich bin Detective Chief Inspector Tom Douglas, und das hier ist Detective Sergeant Becky Robinson von der Metropolitan Police. Wir warten noch auf Detective Chief Superintendent Sinclair, der aber im Stau steckt. Er wird in etwa zehn Minuten bei uns sein.«
Die beiden Polizeibeamten setzten sich auf das Sofa ihr gegenüber, und Tom Douglas holte tief Luft. Es war offensichtlich, dass ihm dieser Moment nicht behagte.
»Es tut mir wirklich leid, dass wir nicht hier waren, als Sie nach Hause kamen, und dass Sie diesen Spießrutenlauf mit der Presse da draußen über sich ergehen lassen mussten. Das war bestimmt sehr stressig, und es überrascht mich überhaupt nicht, dass Sie sich ein wenig schwach auf den Beinen fühlen. Sie haben ja erfahren, dass Ihr Mann heute Nachmittag in Ihrem Haus in London tot aufgefunden wurde, und ich möchte Ihnen unser aufrichtigstes Beileid aussprechen.«
Laura schloss die Augen und biss sich auf die Oberlippe, um nicht so stark zu zittern. Im vergeblichen Versuch, ihren Mangel an Beherrschung zu kaschieren, ließ sie das Kinn auf die Brust fallen. Das Taschentuch, das sie noch immer umklammert hielt, lag zerrupft auf ihrem Schoß. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, das getan zu haben, und nun lief auch noch ihre Nase. Indem sie die Fetzen zusammenballte, versuchte sie sich Augen und Nase zu putzen. Sie merkte, wie ihr ein sauberes Taschentuch in die Hand gedrückt wurde, und war so unhöflich, sich bei der aufmerksamen jungen Frau nicht zu bedanken. Aber sie konnte sich einfach nicht dazu überwinden, die beiden anzusehen oder etwas zu sagen. Und so hielt sie sich bloß das Taschentuch an ihre überströmenden Augen und die Nase.
Als der Chief Inspector wieder zu reden anfing, versuchte sie sich auf seine Worte zu konzentrieren.
»Um etwa zwei Uhr nachmittags wurde die Polizei zu der Wohnung in Egerton Crescent gerufen, nachdem ein Anruf von einer gewissen Mrs Beryl Stubbs eingegangen war, die die Leiche Ihres Gatten etwa eine Stunde zuvor entdeckt hatte.«
Sie blickte abrupt hoch, während ihre Hände ihr in den Schoß fielen.
»Beryl? Was hat die denn dort an einem Samstagnachmittag zu suchen?«
Sergeant Robinson antwortete.
»Sie wollte ihre Handtasche holen. Die hatte sie zuvor in der Wohnung vergessen. Es war ehrlich gesagt sehr hilfreich, sie dazuhaben. Sie hat uns auch geholfen, Sie ausfindig zu machen. Wir haben versucht, Sie am Flughafen zu erwischen – auf Ihrem Flug sollte eigentlich eine Durchsage gemacht werden, ich nehme aber an, Sie haben sich nicht gemeldet. Tut mir leid, dass wir Sie verpasst haben. Wir hätten Ihnen vielleicht einige Aufregung ersparen können.«
Laura konnte
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