Hintergangen
durchdrang die Stille im Raum. Nach einer Weile trafen sich ihre Blicke. Die Stimmung war aufgeladen.
»Ich muss Sie doch noch einmal fragen, Tom. Warum haben Sie nichts unternommen?«
Tom fuhr sich seufzend mit den Fingern durchs Haar. Seine Wut schien sich in Frustration verwandelt zu haben. Es tat Laura aufrichtig leid, diesem Mann so viel Ärger verursacht zu haben.
»Diese Frage habe ich mir während des letzten halben Jahres gestellt. Ich habe Ihr Geständnis gehört, hatte aber keine Beweise. Ich habe immer noch keine Beweise. Sie hätten das Gespräch komplett leugnen können, und Will hätte sie unterstützt. Ich war mir aber ziemlich sicher, wenn ich mit dem, was ich gehört hatte, zu Ihnen gekommen wäre, hätten Sie mir die Wahrheit gesagt. Und dann hätte ich handeln müssen . Ich war mir nicht sicher, ob ich damit hätte umgehen können, also war es besser, Sie nicht zu sehen.«
Laura wusste nicht, was sie sagen sollte. Er hatte natürlich recht.
»Sie sollen wissen, dass Imogen immer noch die Hauptverdächtige ist, jetzt wo der Verbleib aller ehemaligen Allium-Mädchen geklärt ist. Mit Jessicas Hilfe haben wir sie alle gefunden.«
Jedes Mal, wenn diese armen Mädchen erwähnt wurden, versetzte es ihr einen Stich. Sie fühlte sich schuldig, weil sie nicht mehr getan, nicht früher gehandelt hatte. Doch was Imogen betraf, so wusste Laura, dass sie allein schuld war an dem Verdacht, der auf ihre Freundin gefallen war.
»Haben Sie denn überhaupt etwas gegen Imogen in der Hand? Werden Sie sie anklagen?«
»Nein, das werden wir nicht. Wir haben ja lediglich Indizienbeweise. Der Wahnsinnsplan, den Sie beide sich überlegt und dann durchgeführt haben, ist unmöglich zu beweisen, und so ist Imogen wohl sicher.«
Was Imogen betraf, war Laura erleichtert. Ihr war immer bewusst gewesen, sobald sie Imogen verhaftet hätten, wäre sie zu einem Geständnis gezwungen gewesen. Es gab manchmal Zeiten, wo sie das Gefühl hatte, die Last der Schuld sei zu groß für sie, und ein Geständnis würde sie befreien. Sie musste aber mehr als nur an sich selbst denken.
Tom stand immer noch am Fenster, so als wollte er ihr nicht zu nahe kommen. Sie fragte sich, was er nun wohl von ihr hielt.
»Wie geht es Imogen denn überhaupt? Und Will?«, fragte Tom, um die Atmosphäre etwas aufzulockern.
»Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, sind die beiden wieder zusammen. Sie haben ja beide nie jemand anderen geliebt, und die Trennung während all dieser Jahre hat sie zermürbt. Ich glaube allerdings nicht, dass es leicht sein wird, denn sie haben sich verändert und müssen erst wieder Vertrauen aufbauen. Imo bemüht sich, Will zu verzeihen, dass er ihr nicht geglaubt hat, und er versucht, das Bild von ihr mit Sebastian aus dem Kopf zu kriegen. Sie arbeiten daran.« Laura verstummte kurz. »Aber wechseln Sie doch nicht immer wieder das Thema, Tom.«
Er lächelte sie zaghaft an. Sie kannte ihn eben zu gut. Er ging zum Sofa hinüber und setzte sich ihr gegenüber. Als er sich zurücklehnte, schaute er ihr nicht direkt in die Augen, sondern tat, als betrachtete er etwas über ihrem Kopf.
»Ich kann mir nicht helfen, Laura, aber ich bin einfach unheimlich wütend, das ist mein Problem. Das ist hier unbekanntes Terrain für mich, und seit einem halben Jahr habe ich das Gefühl, alle meine vermeintlichen Wertvorstellungen zu verraten.«
»Aber warum denn? Sie sollten nicht darunter leiden.«
Ihre Blicke trafen sich und verharrten kurz, bevor Tom weitersprach.
»Es ging einfach nicht. Ich habe es Ihnen nicht antun können. Ich finde Sie … bemerkenswert. Wie Sie mit all den Ereignissen fertiggeworden sind, was Ihnen zugemutet wurde, und dann die Tatsache, dass Sie bereit waren, für jemand anderen alles zu riskieren. Sie haben so sehr gelitten. Das klingt jetzt vielleicht unpassend, aber ich habe mich verpflichtet gefühlt, Sie zu beschützen.«
Laura sah ihn an, und Tränen traten ihr in die Augen. Sie schloss sie nur ganz kurz, um ihre Gefühle vor seinem aufmerksamen Blick zu verbergen. Tom gab ihr diesen Moment, dann fuhr er fort.
»Als ich Ihr Gespräch mit Will belauscht habe, haben Sie gesagt, Hugos ›bessere Alternative‹ würde ja ›bald Ihre Rolle übernehmen können‹ – oder so ähnlich. Auch haben Sie erwähnt, Sie hätten ihn für Alexa getötet. Ich bin gegangen, bevor Sie das erklären konnten. Ich wollte nicht beim Lauschen ertappt werden, denn dann hätte ich das Gehörte nicht abstreiten
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