Hintergangen
nehme ich ein Bad. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
»Hast du noch mehr zum Lesen für mich?«
»Bist du sicher, dass du das willst?«
»Ich muss es verstehen – alles.«
Laura zögerte kurz, bevor sie antwortete.
»Wahrscheinlich muss es sein.«
9. Kapitel
März 1998
Liebe Imo,
was kann ich sagen außer: »Meine blöde, blöde Mutter!« Sosehr ich sie liebe, als ich sie am Wochenende gesehen habe, hätte ich sie am liebsten erwürgt! Sie hält sich für so scharfsinnig, ist aber manchmal einfach verletzend. Ich hatte dir einen Brief mitgebracht – den ersten, den ich geschrieben habe. Aber wegen all dem, was sie über Hugo gesagt hat, ist es mir einfach nicht passend erschienen, ihn dir zu geben. Die freudige Erregung war weg. Also habe ich gedacht, ich schreibe dir noch einen – und ich weiß auch genau, wann ich ihn dir gebe: Wenn du Hugo kennengelernt hast, damit du siehst, wie lächerlich meine Mutter sich aufführt!
Es ist schon eine Weile her, seit ich euch alle – dich, Will, Mum und Dad – gesehen habe, und ich hatte mich wirklich darauf gefreut. Alles in meinem Leben scheint perfekt, und das herrliche warme Wetter – nicht zu fassen für Ende März – hat einfach zu meiner Stimmung gepasst … und dann bekam ich natürlich das übliche launige Gegrummel zu hören, als ich an der Haustür klingelte. Du weißt ja, wie sie ist …
»Laura, wieso kommst du denn nicht einfach rein? Es ist doch dein Zuhause . Aber nein, ich muss das, was ich grade mache, unterbrechen, um dir die Tür aufzumachen, bloß wegen diesem grotesken Spleen von dir.«
Sie war natürlich nicht wirklich sauer und hat mich herzlich umarmt, aber die Wiedersehensfreude war danach merklich gedämpft. Ich habe ihre Umarmung erwidert und mich nach Dad erkundigt. Ich habe die zu erwartende Antwort bekommen.
»Das weiß Gott – und schert sich wahrscheinlich noch weniger drum als ich. Komm du erst mal rein, und dann mache ich uns eine Flasche Wein auf. Dafür ist doch jetzt die Zeit, oder?« War es zwar nicht, aber das kümmerte uns beide nicht.
Trotz des Kommentars war mir klar, dass Mum genau wusste, wo Dad war, und wenn er je etwas anderes gedacht hatte, machte er sich was vor. Sie hat es mit ihm ja nie leicht gehabt, stimmt’s? Ich kann sie verstehen. Mit großer Willenskraft ist er nicht allzu gesegnet, und ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt ein Gewissen hat. Trotzdem ist er ein toller Vater, und ich glaube nicht, dass Mum bereit wäre, ihr bequemes Leben aufzugeben, bloß weil er in Sachen Rückgrat zu wünschen übrig lässt.
Wir plauderten ein Weilchen über den Abend der Preisverleihung. Ich glaube, dieser nachempfundene Nervenkitzel von Glamour und Raffinesse versetzte sie geradezu in Begeisterung. Dann erzählte sie mir, was es bei euch alles Neues gab (was ich ja bereits wusste, mir aber nicht anmerken ließ), obwohl ich sah, dass sie mich sehr genau beobachtete und mir einen von ihren komischen Blicken zuwarf.
»Okay, Laura, raus damit! Du strahlst ja wie ein Maikäfer, und bestimmt nicht bloß wegen des Preises. Du glühst ja regelrecht. Es ist wegen einem Mann, hab ich recht?«
Typisch! Ich wollte es euch allen eigentlich später beim Abendessen sagen, aber Mum ist einfach zu aufmerksam! Ich musste reagieren – hatte wirklich keine Wahl – und konnte mein selbstzufriedenes Schmunzeln nicht verbergen.
»Ja, es ist wegen einem Mann. Und diesmal, glaube ich, es ist ernst. Ich bin tatsächlich verliebt.«
Mum freute sich so für mich. Sie sagte, ich hätte jahrelang bloß Versager gehabt (reizend!), und sie könne es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.
O weh! Da schwante mir schon, dass es ein bisschen schwierig werden würde. Ich versuchte, ihr zu erklären, dass wir noch nicht wollen, dass jemand das mit uns erfährt, und wir – obwohl ich die Erlaubnis bekommen hatte, es meiner Familie zu sagen – noch nicht bereit waren, es öffentlich zu machen. Das hörte sie natürlich überhaupt nicht gern.
Also erklärte ich es ihr.
»Weißt du, Mum, er ist ziemlich berühmt. Wir sind noch nicht lang zusammen – erst ein paar Wochen –, und es gibt da ein paar Dinge zu ordnen, bevor wir an die Öffentlichkeit gehen, denn die Presse wird uns mächtig auf die Pelle rücken.«
Da wurde sie wieder munter. »Berühmt? Wow! Wer ist es denn? Spann mich nicht länger auf die Folter!«
Ich bemühte mich, mir ein selbstgefälliges Lächeln zu verkneifen.
»Du hast bestimmt schon von ihm
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