Hintergangen
beschrieb, wirklich berührt war.
»Was geschieht am Ende mit den jungen Frauen, Laura?«
»Wie genau meinen Sie das?«
Tom war ziemlich überrascht von dem scharfen Tonfall, den Laura als Antwort auf eine scheinbar vollkommen harmlose Frage anschlug.
»Ich meine, verbleiben sie für einen vereinbarten Zeitraum einfach in den Familien, und wenn ja, was passiert nach ihrem Weggang mit ihnen? Bekommen sie Hilfe mit weiteren Arbeitspapieren, Reisepässen, solchen Sachen?«
»Ach so. Nun, das kommt auf die Umstände an …«
Den Rest von Lauras Antwort konnte Tom nicht mehr hören, weil er das Büro verlassen hatte, er meinte aber, etwas wie Erleichterung in ihrer Stimme gehört zu haben.
8. Kapitel
L aura knallte die Haustür hinter sich zu und ging erschöpft in Richtung Küche, wo Imogen gerade frühstückte. Im Raum roch es nach Toast und frischem Kaffee.
»Gib mir bitte auch was davon, Imo. Das war ja gerade keine meiner Sternstunden.«
»Was war denn? Ich nehme an, du hast den Leichnam identifiziert. War es schlimm? Du hättest mich mitnehmen sollen.«
Laura musterte sie und stieß einen tiefen Atemzug aus.
»Du brauchst bei mir nicht Händchen zu halten. Es geht schon, ich schaff das. ›Der Leichnam‹, wie du dich ausdrückst, war bloß Hugo. Er sah aus, als würde er schlafen, und es war ganz und gar nicht so traumatisch, wie ich gedacht hatte. Aber als sie mich nach der Stiftung gefragt haben, bin ich ziemlich nervös geworden. Ach, was soll’s. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die trauernde Gattin, eine bekloppte Irre oder einfach ich selber sein soll. Wahrscheinlich wirke ich ein bisschen wie alle drei. Ich habe das Gefühl, ich weiß gar nicht mehr, wer ich bin.«
Laura ließ sich an dem Kieferholztisch in der Küche auf einen Stuhl plumpsen und stützte das Kinn in die Hände.
»Ich würde mir da keine Sorgen machen. Niemand erwartet jetzt von dir, normal zu sein, was auch immer normal heißen soll. Du sollst gramgebeugt sein, da wird doch alles irgendwie als normal betrachtet. Ich habe gedacht, die fahren mit dir zusammen zurück? Was ist passiert, hast du sie vergrault?«
»Tom musste zu der Obduktion, obwohl er so feinfühlig war, es nicht zu erwähnen. Sie werden bald herkommen, und danach fahren sie zu Annabel. Weiß Gott, was sie von Hugos entzückender Exfrau halten werden. Du hast sie nie kennengelernt, oder? Da haben sie was vor sich.«
Laura griff dankbar nach der Tasse Kaffee, die Imogen ihr reichte, und nahm einen großen Schluck.
»Sie sind aber nett, die Polizisten, meine ich. Sie scheinen wirklich besorgt, und Becky, die übrigens zu meiner Verbindungsbeamtin ernannt worden ist – genau das, was ich jetzt brauche –, die wurde richtig emotional, als ich ihr erklärt habe, was Allium macht.«
Imogen guckte skeptisch und lächelte Laura an.
»Du hast ganz vergessen, das gute Aussehen des reizenden Chief Inspector zu erwähnen. Inzwischen Tom, wie ich höre? Ziemlicher Fang, findest du nicht? Und was war das mit dem sexy T-Shirt gestern Abend und den perfekten Jeans?«
»Mensch, Imo, ich habe momentan wirklich anderes im Kopf – wie du vielleicht bemerkt hast. Heute hat er jedenfalls vollkommen anders ausgesehen, wirst du ja sehen, wenn er so in etwa einer Stunde hier auftaucht. Schicker Anzug – sieht teuer aus –, Krawatte, das ganze Programm. Laut Becky hätte gestern sein freier Tag sein sollen, darum war er so lässig gekleidet. Aber mal ehrlich, selbst wenn ich ihn für den ›sexiest man on earth‹ halten würde, wer schaut mich heutzutage denn schon an?«
Lautes Klopfen an der Haustür ersparte Imogen glücklicherweise die Antwort.
»Ich geh schon«, sagte sie. »Ist wahrscheinlich bloß wieder die Presse. Wenn die dich nur in Ruhe lassen würden. Am Tor ist ein Polizist, aber der lässt sich anscheinend beschwatzen. Wir hätte ihm den Zugangscode nicht geben sollen. Wir hatten mehr ›Lieferungen‹ von Blumenhändlern heute früh, als du für möglich hältst. Einige bestimmt mit sorgfältig getarnten Mikrofonen drin. Ich bin inzwischen ganz gut im Abwimmeln.«
Imogen ging auf die Vorderseite des Hauses zu, und ihre Schritte hallten wider, als sie die mit Steinplatten gepflasterte Eingangshalle durchquerte. Dann wurde die friedliche Stille im Haus von einer schrillen, hysterischen Kinderstimme zerrissen.
»Wo ist Laura? Ich will zu Laura!«
Wie es schien, hatte Imogen keine Gelegenheit gehabt, darauf zu antworten, denn innerhalb von Sekunden stand
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