Hintergangen
ich das Problem erkannt hatte, habe ich mir selbstverständlich sofort neue Anwälte genommen, die sich die ganze Sache mal angeschaut haben. Offenbar ist sein Testament so geschrieben, dass ich keinen weiteren Unterhalt bekomme, falls Hugo stirbt. Ich hatte es so verstanden, dass er alles auf ein Treuhandkonto gepackt hatte, damit ich versorgt wäre, aber da hatte ich mich wohl geirrt – wie bei so vielem, was ich von dem Widerling geglaubt habe.«
Unnötig kräftig drückte sie ihre zweite, nur zur Hälfte gerauchte Zigarette in einem großen gläsernen Aschenbecher aus.
Tom unterdrückte ein Husten. Die Geheimnisse von Treuhandfonds begriff er zwar nicht, notierte sich aber die Einzelheiten, damit sie geprüft werden konnten. Er hielt es für durchaus möglich, dass sich dieses Haus verkaufen ließ und man von den Erträgen auch ohne die Unterhaltszahlungen sehr gut leben konnte. Ihre Ladyschaft hatte aber zweifellos eine völlig andere Vorstellung von einem »guten Leben«. Er versuchte sich vorzustellen, was wohl mit ihrem Gesicht passieren würde, wenn die Botoxbehandlungen ausgesetzt würden.
»Wann hat Ihr Exmann damit gedroht, Sie aus seinem Testament zu streichen?«
»Mein neuer Anwalt wollte das für mich alles in Ordnung bringen, ist aber nicht so recht vorangekommen. Deshalb habe ich Hugo letzte Woche angerufen und mich zu ein paar persönlichen Drohungen hinreißen lassen. Er hat aufgelegt. Zwei Tage später hat er dann über die Anwälte ausrichten lassen, mir würde es an Wertschätzung seiner Großzügigkeit fehlen. Deshalb wolle er den Inhalt seines Testaments in Bezug auf das Treuhandkonto neu überdenken. Daraufhin hatte ich die Nachricht hinterlassen, die Sie gehört haben.«
Tom wusste aus eigener Erfahrung, dass Testamente kompliziert sein konnten. Allerdings sah es so aus, als ob Annabel Fletcher – so ungehalten sie auch war – mit einem lebendigen Hugo besser gefahren wäre als mit einem toten. Selbst wenn er sein Testament geändert hätte, war er doch erst in den Fünfzigern gewesen. Sie hätte also viele Jahre mit sehr großzügigen Unterhaltszahlungen und genügend Zeit gehabt, seine Einstellung – und sein Testament – wieder zu ihren Gunsten zu ändern. Tom sah in sein Notizbuch.
»Können Sie mir sagen, wieso Sie in Ihrer Nachricht für Sir Hugo gesagt haben: ›Du hast mein Schweigen schon mal erkauft, aber der Preis ist soeben gestiegen‹?«
Zum ersten Mal schien Annabel sich unwohl in ihrer Haut zu fühlen.
»Ach, das war eigentlich gar nichts. Bloß was zwischen Hugo und mir. Lassen wir das einfach so stehen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Tut mir leid, aber ich würde das gerne verstehen.«
Annabel seufzte. Offensichtlich war es eine Geschichte, die sie ungern offenbarte.
»Wir haben uns kennengelernt, als ich für Hugos Mutter gearbeitet habe. Es gab gewisse Aspekte in Hugos Persönlichkeit, gewisse … sagen wir, spezielle Eigenheiten, die ich ganz zufällig entdeckt habe. Dinge, die Hugo ganz bestimmt nicht an die große Glocke hängen wollte. Mein ursprünglicher Preis war ein bisschen Selbstoptimierung, ein paar kleine Schönheitsoperationen. Aber dann hat mich die Vorstellung fasziniert, Lady Fletcher zu werden, und ich habe ihn gebeten, mich zu heiraten. Er hatte eigentlich gar keine andere Wahl.«
Ihre selbstgefällige Art nervte Tom. Was zum Teufel hatte Hugo getan, um sich so abhängig zu machen?
»Mit Hugo zu leben war natürlich was ganz anderes – unerträglich, wirklich. Als wir uns haben scheiden lassen, war ich mir sicher, dass er nicht wollte, dass Laura all die schaurigen Details erfährt, die ich versprochen hatte, für mich zu behalten. Mein Preis war also dieses Haus. Und bevor Sie jetzt gleich was sagen – Erpressung war es nicht. Ich habe ihm bloß gesagt, was ich haben wollte, und er hat sich einverstanden erklärt. Als ich ihn letzte Woche angerufen habe, war mir klar, dass es ein bisschen spät war, ihn mit Laura unter Druck zu setzen. Bestimmt kennt sie inzwischen alle seine schäbigen kleinen Geheimnisse. Ich habe ihm also ganz subtil damit gedroht, ihn der Klatschpresse auszuliefern, um damit seine mehr als blütenweiße Weste zu ruinieren, wenn Sie verstehen, worauf ich hinauswill.«
»Wollen Sie damit sagen, sie war nicht blütenweiß?«
Annabel warf den Kopf zurück und lachte, wenngleich ohne jede echte Heiterkeit.
»Ach Gott, ach Gott, nein! Ich meine, ja , das will ich damit sagen, aber nein, nicht
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