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Hintergangen

Hintergangen

Titel: Hintergangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Abbott
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blütenweiß. Nicht mal blassgrau! Er war ein sehr seltsamer Mensch, Chief Inspector. Er hatte spezielle Vorlieben, auf die ich hier lieber nicht eingehen möchte. Dafür mache ich seine Mutter, diese Hexe, verantwortlich.«
    »Wenn Ihr Exmann so merkwürdig gewesen ist, wie haben Sie es dann verantworten können, dass Ihre Tochter so viel Zeit mit ihm verbracht hat?«
    Annabel reagierte äußerst gereizt.
    »Alexa ist auch seine Tochter, und er hat für sie gezahlt, mir blieb also nicht viel übrig. Immerhin geht Hannah immer mit. Allerdings wurde die liebeskranke Kuh auch von Hugo bezahlt, ich bin mir also nicht sicher, ob das hilfreich war oder nicht.«
    Da Tom selbst Vater einer Tochter war, fand er den gleichgültigen Ton Annabels schwer erträglich. Trotzdem waren Hugos »spezielle Vorlieben« möglicherweise relevant.
    »Ich fürchte, Sie müssen sich zu Ihrem Exmann und seinen sexuellen Neigungen etwas genauer äußern, denn das meinen Sie doch mit ›speziellen Neigungen‹, oder? Ich bin kein Voyeur, aber in Anbetracht der Tatsache, dass Ihr Mann höchstwahrscheinlich von einer Frau ermordet wurde und die Art seines Todes auf eine sexuelle Aktivität hindeutet, fürchte ich, Sie müssen mir alles sagen, was Sie wissen.«
    Annabel Fletcher lehnte sich in ihrem Sessel zurück, nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas, zündete sich noch eine Zigarette an und verzog angewidert das Gesicht.
    »Okay, dann sag ich es Ihnen. Was anderes bleibt mir ja wohl nicht übrig. Es ist aber keine angenehme Geschichte. Sind Sie sicher, dass Sie den Drink nicht doch wollen?«
    Tom hatte ihn abgelehnt, aber jetzt, auf dem Rückweg ins Zentrum von London zur täglichen Nachbesprechung, fragte er sich, ob das nicht ein Fehler gewesen war. Zwar war er nicht schockiert von dem, was er gehört hatte – dazu war er zu lange Polizist. Überrascht hatte es ihn aber doch.
    Er wusste nicht so recht, wie viel von dem Gehörten übertrieben oder gar ausgedacht war. Es wäre vielleicht sinnvoll, diese Information vorab lediglich mit Sinclair zu teilen. Und er musste sich bei ihm erkundigen, welcher Chief Constable bei Laura Fletchers Einweisung in die psychiatrische Klinik involviert gewesen war. Gut, dass Becky diese Auskunft Stella Kennedy entlockt hatte.
    Er starrte in den dunklen, nassen Herbstabend hinaus, ohne wirklich etwas zu sehen, ließ sich die Ereignisse des Tages durch den Kopf gehen und versuchte, ein Puzzle zusammenzusetzen, das fast stündlich an Komplexität zunahm.
    D as Mädchen stieß sich vom Bett hoch und begab sich zu seiner Nachtwache ans Fenster. Trotz ihrer Angst wollte sie unbedingt, dass er bald kam. Wenn sie doch bloß ein Fenster öffnen und vielleicht einen Passanten auf sich aufmerksam machen könnte. Nicht, dass hier jemand vorbeikommen würde. Trotzdem hätte es ihr etwas Hoffnung gegeben. Vielleicht würde auf diesen einsamen Wegen ein Mann seinen Hund spazieren führen, ohne Angst vor dem, was sich womöglich in der Nacht verbarg.
    Doch die Fenster waren aus Sicherheitsglas und fest zugeschraubt. Er hatte dafür gesorgt, dass sie das wusste, und das Stahlgeflecht auf der Innenseite bedeutete, dass sie nicht an die Scheibe kam, selbst wenn sie etwas gehabt hätte, um sie einzuschlagen.
    Sie betrachtete die alte, verschmutzte Matratze auf dem Fußboden und den Plastiktisch daneben. Keines von beidem konnte als Werkzeug für einen Ausbruch dienen, und das übrige Mobiliar im Raum war außer Reichweite. Seit er die Tür zu diesem Raum aufgeschlossen und sie hineingestoßen hatte, lebte sie in Angst. Was sie auch getan hatte, um ihn zu verärgern – dies war ihre Strafe. Schon die reine Existenz dieses Raumes verstörte sie – vorbereitet, als ob er auf sie gewartet hätte.
    Sie starrte auf die Kette an ihrem Fußgelenk und verfolgte deren Weg bis zu der Stelle über ihr, an der sie in einen kräftigen Deckenbalken aus Eichenholz geschraubt war. Sie würde nie dort hinaufkommen, selbst wenn sie etwas zum Aufschrauben gehabt hätte.
    Während sie die nächtliche Landschaft nach dem Licht eines herannahenden Fahrzeug absuchte, überlegte sie: Wenn sie ein Tier wäre – ein Kaninchen vielleicht oder ein Fuchs –, dann würde sie sich den eigenen Fuß durchnagen, um sich aus der Falle zu befreien. Doch sie würde das nie fertigbringen. Glaubte sie zumindest.
    Aber sie war sich ja sicher, dass er kommen würde. Wenn er der Meinung war, dass sie genug gelitten hatte.

17. Kapitel
    T om kam gerade

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