Hintergangen
Frage-und-Antwort-Runde gehabt, musste jedoch unbedingt noch mit Sinclair sprechen. Annabels Aussage könnte durchaus wichtig sein bei der Aufklärung dieses Falls – er wusste nur noch nicht, inwiefern.
T om gab sein Gespräch mit Hugos Exfrau fast wortwörtlich wieder, vor sich einen stummen, aber aufmerksam zuhörenden DCS Sinclair.
»Na, was meinen Sie? Wir können den Zusammenhang zwischen dem, was sie behauptet, gesehen zu haben, und dem Schauplatz des Mordes nicht ignorieren. Allerdings kann sie nur Bescheid wissen, wenn sie dort gewesen ist und es mit eigenen Augen gesehen hat, denn wir halten die Details ja unter Verschluss. Ihre Beschreibung wäre wohl kaum so präzise, wenn sie ihn getötet hätte, oder?«
Tom fuhr fort, ohne die Antwort abzuwarten.
»Sie hat mir erzählt, sie hat sich Hugos Tod gewünscht, hätte sich aber niemals selbst die perfekt manikürten Hände schmutzig gemacht – so ähnlich hat sie es ausgedrückt. Ehrlich gesagt kann ich es mir bei ihr nicht vorstellen. Sie ist aber vielleicht nicht die Einzige, die von Hugos Vorlieben weiß. Jemand anderes hätte ihn also ebenfalls erpressen können, und es besteht immer noch die Möglichkeit, dass Annabel ihr Wissen über Hugos ungewöhnliche Gelüste weitergegeben hat, obwohl sie schwört, es nicht getan zu haben.«
James Sinclair schüttelte sorgenvoll den Kopf.
»Das bringt uns dem Täter aber nicht näher, oder? Denken Sie darüber nach, Tom, dann besprechen wir morgen alles Weitere. Sie brauchen jetzt einen klaren Kopf.«
»Mir wäre es lieber, dieses Detail bleibt vorerst unter uns. Ich will nicht, dass sich jemand von einem möglichen Skandal ablenken lässt. Ich werde den anderen bloß die Fakten mitteilen: Annabels Name war ursprünglich Tina Stibbons, sie war die Pflegerin von Hugos Mutter und hat bei der Heirat ihren Vornamen geändert, anscheinend weil sie der Meinung war, Tina würde sich nicht sehr stilvoll anhören.«
»Das ist Ihre Entscheidung, Tom.« Der DCS verzog das Gesicht zu einer von seinen seltsamen Grimassen. »Ich habe mittlerweile das Gefühl, wir haben sämtliche Puzzleteilchen beisammen und wissen bloß nicht, wie sie alle zusammenpassen.«
Tom nickte. Er wusste, dass es seine Aufgabe war, die Teilchen aneinanderzulegen, hatte aber bisher noch keine Ahnung, wie das endgültige Bild aussehen würde.
»Nur eines noch, dann bin ich weg: Irgendwie scheint es mir, dass niemand so recht an die Gefahren für Hugos Sicherheit geglaubt hat – selbst seine Frau hörte sich bei dem Thema etwas bissig an. Warum also die Leibwächter? War es wirklich bloß PR – oder hat er von einer Bedrohung gewusst, die sonst niemandem bekannt war?«
V oller Erleichterung drehte Tom den Schlüssel herum und betrat seine Wohnung. Auf einen einzigen Knopfdruck hin gingen gleichzeitig sämtliche Lampen im Raum an, und er hielt den Finger darauf, bis die Lichter auf halbe Helligkeit heruntergedimmt waren – ihm war nach einer ruhigen, besänftigenden Stimmung. Er trat an seine Stereoanlage und wählte Natalie Merchant aus. Nachdem er die Musik so eingestellt hatte, dass sie überall in der Wohnung erklang, ging er von Zimmer zu Zimmer, entledigte sich im Schlafzimmer seiner Sachen und begab sich für eine kurze Dusche ins Bad. Nachdem er in ein Paar uralte, aber sehr bequeme schwarze Jogginghosen und ein weißes T-Shirt geschlüpft war, ging er in die Küche, um sich etwas zum Abendessen zu machen.
Er schenkte sich ein Glas Pinot noir ein, stellte einen Topf mit Wasser zum Kochen auf den Herd und gab einen Schuss Olivenöl in eine Sautierpfanne. Aus dem Kühlschrank schnappte er sich eine Packung schon fertig gehackte Pancetta, die er im Olivenöl wendete, bis sie zu schmurgeln begann. Er schnitt ein paar reife Kirschtomaten in zwei Hälften, zupfte etwas Basilikum klein und gab Pasta in den Topf mit dem kochenden Wasser.
Er war sich nicht sicher, ob er etwas essen konnte, wusste aber aus Erfahrung, dass er ohne Essen zu nichts taugte. Wenigstens ging das hier schnell und einfach. Während er wartete, bis die Pasta fertig war, setzte er sich in Gedanken versunken an die Anrichte, das Glas mit dem Wein fest umklammert. Wer war Hugo Fletcher gewesen? War er wirklich der Musterknabe gewesen, für den ihn die Öffentlichkeit gehalten hatte? Oder der Mann, den Annabel beschrieben hatte? Und wenn ja, wie hatte sich das auf sein Leben mit Laura ausgewirkt? Nichts passte zusammen. Es war, als hätten sie es mit zwei völlig
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