Hintergangen
natürlich so nicht hinterlassen. Zum Glück hatte er ja anscheinend keine Zeit mehr, sein Testament zu ändern – das hat mir jedenfalls heute früh mein Anwalt gesagt. Er hat gemeint, alle Änderungen, Nachträge oder Ähnliches müssten erst getippt und dann Hugo zugeschickt werden, zur Unterschrift und Beurkundung. Irgendein schlaues Köpfchen hat uns allen also einen Gefallen getan und ihn beseitigt, bevor er noch mehr Schaden anrichten konnte.«
Sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, und die eingezogenen Wangen ließen sie noch hagerer erscheinen.
»Er hat mich nämlich schon mal übers Ohr gehauen. Als Hugo und ich uns haben scheiden lassen, habe ich dieses Haus bekommen und Hugo gebeten, mir in Portugal auch was zu kaufen. Es war genau die Art von Haus, die er gehasst hat, ich aber hatte mir schon immer eine schöne Villa mit Pool und lauter anderen Engländern um mich herum gewünscht – die richtige Sorte natürlich. Obwohl ich Golf hasse, habe ich mir also eine Villa in einem sehr exklusiven Bauprojekt ausgesucht, mit zwei Golfplätzen.«
Tom wünschte sich insgeheim, sie würde die Zigarette ausmachen oder wenigstens ein Fenster öffnen. Er schien die Rauchschwaden fast magnetisch anzuziehen.
»Weiß Gott, wieso Laura das Haus in Italien gewollt hat. Ich habe Fotos gesehen, die Alexa mal mitgebracht hat. Das liegt ja irgendwo am Ende der Welt, umringt von lauter Italienern !«
Sie hielt inne, um Luft zu holen.
»Aber, bevor wir weiterreden, kann ich Ihnen was zu trinken anbieten? Ich nehme einen Wodka mit Tonic – für Sie auch einen?«
»Nein danke, Lady Fletcher. Aber holen Sie sich ruhig Ihren Drink.«
Tom sah Annabel nach, wie sie auf ihren hohen Absätzen in den Hauptbereich des Hauses stöckelte, um sich einen Drink zu machen. Ihm war völlig schleierhaft, wieso Hugo sie geheiratet hatte. Vielleicht war sie einmal eine große Schönheit gewesen, stammte jedoch ganz offensichtlich nicht aus der Art von Familie, die man erwartet hätte. Obwohl Laura selbst nicht wohlhabend oder adliger Herkunft war, hatte man doch den Eindruck, dass sie Stil hatte und sich zu benehmen wusste. Annabel dagegen war ein ganz anderes Kaliber.
Es dauerte nicht lange, bis sie sich einen offenbar sehr starken Longdrink gemixt hatte. Tom vermutete, dass das Verhältnis von Wodka zu Tonic nicht ganz der Norm entsprach, doch das ging ihn ja nichts an. Möglicherweise würde der Drink ja ihre Zunge noch weiter lockern.
»Vielleicht noch mal zu dem, was Sie an Sir Hugo so geärgert hat?«
»Ja, natürlich. Ich habe gerade von dem Haus in Portugal gesprochen, nicht? Nun, als wir uns haben scheiden lassen, wurde vereinbart, dass ich dieses Haus hier bekomme, dazu eine Million pro Jahr, bis Alexa achtzehn ist. Ihre Schulgebühren hat Hugo direkt bezahlt und Hannahs Gehalt auch – eine Schreckschraube, fürchterlich öde, aber ich habe da ja nichts zu melden. Wenn Alexa aus dem Haus ist, reduziert sich mein Geld auf eine Dreiviertelmillion, bis ich sterbe – dynamisch angepasst, weil ich ja eine recht junge Frau bin.«
Tom war klar, dass sie längst nicht so jung war, wie sie vorgab, weil aber das Haus, in dem sie saßen, mindestens drei Millionen wert sein musste und das in Portugal ebenfalls ein hübsches Sümmchen, war Annabel in jedem Fall eine reiche – wenn auch mittelalte – Frau.
»Es überrascht Sie vielleicht, dass eine Million nicht sehr weit reicht, wenn man einen Standard aufrechterhalten muss. Wegen mangelndem Kapital hatte ich beschlossen, das Haus in Portugal zu beleihen. Der Kauf war von Hugos Immobilienfirma abgewickelt worden, wegen der besseren Verhandlungsposition. Was mir nicht klar war: Ich darf den Besitz in Portugal lediglich nutzen, er gehört mir nicht. Aufgrund irgendeiner schlauen Klausel in der Scheidungsvereinbarung und weil ich einen ganz besonders dämlichen Anwalt angeheuert hatte, hat Hugo sich laut Vertrag bereit erklärt, mir ›ein Ferienhaus an einem Ort meiner Wahl bis zum Wert von zwei Millionen Pfund zur Verfügung zu stellen‹, so ähnlich war es formuliert. Das war vor zehn Jahren, inzwischen ist es natürlich viel mehr wert. Erst als das Bargeld knapp wurde, habe ich entdeckt, was er gemacht hatte. Wie ich bereits erwähnt habe, er war ein Dreckskerl.«
Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Drink. Tom begriff immer noch nicht recht, was das mit dem Testament zu tun hatte, und sagte etwas in der Richtung.
»Ha, das ist ja auch noch nicht alles. Als
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