Hinterhalt am Schwarzen Fels
als der Originaltext und das Buch war Bestandteil der
Gefängnisbibliothek. Federmann hatte es — nach Paolas erstem Besuch — an sich
gebracht. Es befand sich in seiner Zelle.
Noch am selben Tag, an diesem
Montag im September, erhielt Federmann Mulkas Zahlen-Kassiber und suchte sich
den Text zusammen im tödlichen Rosenduft. Ein erfreulicher Text. Er lautete: Bereithalten!
Freipressung erfolgt innerhalb der nächsten zehn Tage. Keine Öffentlichkeit.
Privater Austausch. Rote Kapseln werden zugeteilt. Eventuelle Anwendung nur in
Phase eins.
Federmann verschlüsselte Mulkas
Zahlen, indem er zu jeder die Drei addierte, notierte die neuen Zahlen mit
Bleistift auf der Rückseite des Schmutztitels ( zweites Blatt im Buch )
und würde dafür sorgen, dass Mulka morgen das Buch in der Bibliothek ausleihen
konnte. Übermorgen war dann Tibor Onlip an der Reihe, der einen Ratzefummel
besaß und die Zahlen wegradieren sollte.
Gespannte Vorfreude war
angesagt.
9. Testen
durch Händedruck
Als der Bus hielt, wurde auch
die letzte Schlafmütze munter. TKKG spähten hinaus. Der Bus neigte sich in
seiner schwammigen Federung um einige Zentimeter nach links, denn auf der
linken Seite saßen oder standen jetzt sämtliche Fahrgäste zwecks Beäugung der
Jugendherberge.
Hm, dachte Tim. Nicht gerade
das Grandhotel. Aber wenn die Klobrillen sauber und die Betten entseucht sind,
kann man hier leben.
»Eine schöne Jugendherberge«,
flüsterte Rebecca, die sogar zu Häusern freundlich ist.
»So stelle ich mir den
Wunschtraum des Oberförsters vor«, grinste Tim, »der im Jahre 1900 zum
Architekten sagt, er wolle ein Schloss. Müsse aber aussehen wie ‘ne Jagdhütte.«
Gaby kicherte. »Zu der Zeit
hatte die Oberförsterin noch nichts zu melden. So kam’s zu den vielen Fenstern,
die sie ganz allein putzen musste. Denn der Hausherr war ja immer auf Pirsch.«
»Sie hat nicht allein geputzt«,
ulkte Karl. »Erwischte Wilddiebe haben ihr geholfen. Sie konnten wählen
zwischen dem, 50 Peitschenhieben oder drei Monaten Knast.«
»Das waren noch Zeiten«,
schwärmte Klößchen. »Männer mit Bäuchen galten was und kamen an bei den
Teenies, die damals noch Backfische hießen. Ich wäre ein Traumtyp gewesen.«
»Bist du ja auch heute.«
Rebecca klapste ihm auf die Schulter. »Und bald schaffst du’s zum
Waschbrettbauch.«
Karl und Gaby prusteten los,
Tim schmunzelte, und Klößchen bedachte Rebecca mit einem Blick, der an Anbetung
grenzte.
»Alles aussteigen!«, rief Dr.
Midler durch den Bus. »Vergesst euer Gepäck nicht.«
Gaby hatte ihn ausführlich
informiert. Inzwischen wussten alle, was in der Internatsschule passiert war.
Wilde Vermutungen wurden laut. Die tiefgründigen Gemüter waren geschockt, die
oberflächlichen Witzemacher ließen alberne Kommentare raus.
Tim hatte Landres beobachtet.
Dessen Miene zeigte Bestürzung, und er hatte Hendrik angesehen, als wolle er
ihn an die Leine nehmen. Der Fast-Food-Ableger hatte nur blöde gegrinst. Der
Gedanke, dass vielleicht ihm der Überfall galt, keimte nicht bei ihm auf.
Tim nahm seinen prall gefüllten
Rucksack und den von Gaby, bei dem unter der Klappe ihr blauer Regenponcho
festgeschnallt war. Alle kletterten ins Freie. Tim schätzte, dass in dem
romantisch aussehenden Gebäude Platz war für ca. 80 Personen. Im Hintergrund
war ein moderner Anbau, der nach Großküche und Speisesaal aussah.
Am Eingang empfing sie der
Herbergsvater Udo Messner, ein schlanker Enddreißiger in Jeans und verwaschenem
Pullover. Udos feuriger Blick überflog die Schar. Jörg Midler und Tanja Hesse
wurden herzlich begrüßt. Jörg war schon einige Male hier gewesen — immer mit
netten Klassen. Er blieb in guter Erinnerung.
»Bei uns gibt’s keine
Schlafsäle«, erläuterte Udo den Kids. »Wir haben Zimmer mit zwei, drei, vier
oder sechs Betten. Liegt also an euch, wie ihr euch zusammenrotten wollt.
Mädchen und Jungs getrennt — das versteht sich von selbst. Aber nur nach
Zimmern, nicht nach Gebäudetrakten mit Gittertüren dazwischen wie zu
klösterlichen Zeiten. Die Hausordnung kennt ihr. Hinweisen möchte ich noch auf
unser Naturschutzgebiet Kelten-Land, in dem ihr euch ja umsehen werdet. Für
Großstädter wie euch ist die Landschaft nicht ohne Gefahren. Es gibt
Schluchten, Abgründe, verborgene Höhlen, Findlinge und Wanderblöcke, von denen
man stürzen kann, ebenso Felswände und Hänge und Monolithen (einzelner
mächtiger Felsblock). Der bekannteste ist der Schwarze Fels — etwa
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