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Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Titel: Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Boden und verfluche die Männer, die für so viel Brutalität verantwortlich sind. Ich verfluche den Banker an der Auffahrt, Mike Madden, Zeb, Freckles. All diese Typen. Ich wünsche ihnen die Pocken und ihren Angehörigen die Pest.
    Das ist natürlich alles Blödsinn. In Wirklichkeit bin ich derjenige, der am Schicksal der armen verwirrten Sofia die Schuld trägt. Ich habe sie auf die Lippen geküsst, und dadurch sind die Bösen erst auf sie aufmerksam geworden.
    Also verfluche ich mich selbst und meine blutbefleckten Hände. Ich verfluche meine abschweifenden Gedanken, weil ich mich selbst in den brenzligsten Situationen nicht konzentrieren kann. Ich weine um alles, was nie geschehen ist. Um die vielen Toten in meiner Vergangenheit, die mein Gewissen plagen, bis hin zu einem wirren Haufen von Gliedmaßen in einem zerquetschten Auto in Dublin.
    Ich bin faules Obst, an dem sich kaum noch eine unverdorbene Stelle findet. Noch ein Bissen, und ich bin verloren.
    Ich liege auf dem Boden, den Kopf halb unter dem Sofa, und sehe, wie das Sonnenlicht Laserstrahlen in das blutige Muster sendet, als Sofias Hand zuckt und mir auffällt, wie abgekaut ihre Nägel sind.
    Sofia kaut nicht mehr an den Nägeln. Sie ist stolz auf ihre lackierten Krallen. Sie schnurrt wie eine Katze und kratzt mit den Fingern in der Luft.
    Nicht Sofia? Nicht tot?
    Das ist zu viel für mich. Ich fühle mich stumpf und dumm und habe den Witz nicht verstanden.
    Ich rappele mich auf die Knie.
    »Sofia?«, krächze ich.
    Und sie kommt ganz in Schwarz aus der Küche, jede Menge Taschen, Militärstil. Janet Jackson. Rhythm Nation.
    »Hey, Baby«, sagt sie, hält einen Hammer in ihrer Hand und ein Stück blutigen Skalp zwischen den Fingern. »Du hattest recht. Jemand war hier und hat dich gesucht. Ich habe getan, was nötig war. Eine Pistole hab ich dazu nicht gebraucht.«
    Wer ist das auf dem Boden? Wer liegt da halbtot?
    Ich brauche Antworten, um dieses entsetzliche Vakuum zu füllen.
    Kriechen scheint möglich. Ich krieche über den Boden, ziehe die Knie durch das immer dunkler werdende Blut und drehe den Kopf der Frau mit unendlich großer Vorsicht um und blicke ihr ins Gesicht.
    Jetzt bin ich endgültig verrückt.
    Es war nur eine Frage der Zeit. Ich sollte jetzt aufpassen, weil Simon später bestimmt alle Einzelheiten wissen will, wenn wir in einer unserer Therapiesitzungen darüber sprechen werden.
    Die Frau ist meine Mutter.
    Seit fünfundzwanzig Jahren tot.
    Meine liebe Mama. Und sie sieht keinen Tag älter aus als damals.
    »Mom?«
    Ich höre das Wort, und ich weiß, dass es meinem Mund entfuhr, fühle mich aber momentan ein kleines bisschen körperlos. Völlig kirre an der Küste bei Blackrock Beach, wo wir immer spazieren gingen.
    Die Lider der Frau flattern, öffnen sich, und sie hustet mir eine Lunge voll Alkohol in die brennenden Augen.
    »Danny«, sagt sie, als hätten wir gestern das letzte Mal miteinander gesprochen. »Irgendwas ist mit meinem Kopf. Ich hab’s vergessen.«
    Mein Langzeitgedächtnis springt an, und im Rausch der Erinnerungen begreife ich plötzlich: Eispickel, keusche Gutenachtküsschen, Grapschunterricht.
    Das ist nicht meine Mutter. Es ist ihre kleine Schwester, die ihr so ähnlich sieht, dass sich mein erschöpftes Gehirn täuschen ließ.
    Ganz eindeutig nicht deine Mutter, Idiot.
    Evelyn Costello streckt die Hand aus; ihre Fingernägel sind blutrot lackiert. Nein, nicht lackiert. Das ist echtes Blut, und zwar ihr eigenes.
    »Danny, ich habe dich gefunden. Behandelst du Mädchen mit Respekt, Danny?«
    Ihre Lider flattern noch einmal, und sie verliert wieder das Bewusstsein.
    Umso besser. Ich muss nachdenken.
    Ich spüre Sofia hinter mir. »Wer ist das, Carmine? Ist das eine von deinen Nutten? Ist sie das?«
    Jetzt bin ich also wieder Carmine. Schon klar.
    Auf dem Boden ist alles voller Blut.
    »Nein, Sofia. Das ist keine von meinen Nutten, das ist meine Tante.«
    Sofia schnieft verächtlich, als würde ich Blödsinn erzählen. Wer kann es ihr verübeln? Evelyn ist nur zwei Jahre älter als ich.
    »Tante? Ach ja, im Ernst, Baby?«
    Es ist nicht ihre Schuld. Sofia hat nur gemacht, was ich ihr gesagt habe, aber plötzlich bin ich wütend.
    Ich springe auf die Füße und schnappe den Hammer. »Ja, im Ernst. Du hast meiner Tante den Schädel eingeschlagen.«
    Sofia erkennt einen Irren, wenn sie einen vor sich sieht, und weicht zurück.
    »Tut mir leid.« Sie richtet sich auf, steht stramm und salutiert. »Habe nur Befehle

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