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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Sandburg, die die junge Frau gebaut hatte, heute, nein, gestern
     nachmittag. Ferda wußte von dieser Frau nur, daß sie sich dem Kontrabassisten, einem viel älteren Mann, hingab, es war keine
     Schande, es brachte sie nur in Gegenwart anderer Männer in Verlegenheit. Jetzt winkte ihn Pepa heran und bat darum, ihm auf
     den Rücken zu klopfen. Natürlich wollteFerda die Freundlichkeit erwidern, mit der die Musiker ihn behandelt hatten, und er schlug Pepa, auf seinen Wunsch hin, heftig
     auf den Rücken, da aber stieß der benommene Gitarrist laut auf, mehrere Male hintereinander, und weil er ihm in die Augen
     sah, mußte Ferda den Blick abwenden. Er klopfte weiter, und als er Pepa würgen hörte, tat er einen Sprung zur Seite, er hielt
     es für seine Pflicht, ihn wenigstens zu bewachen, während der Mann Galle und Bier und Schnaps ausspuckte. Pepa kam auf die
     Beine, er stieß die nackte Ferse immer wieder in den Sand, er streifte sich das bekleckerte Hemd ab, es blieb hinten mit einem
     Zipfel im Hosenbund hängen, dann zog er den Ledergürtel aus der Schlaufe, die Metallschließe verschwand in seiner Faust, und
     er begann, sich das Gesicht zu peitschen. Das Gürtelende schwang erst schlaff aus, Pepa drehte den Gürtel zwei Male um die
     Faust, und nun traf er seine offenen Augen, in ihnen kein Schmerz, kein Wunsch nach Abbitte, keine kleinen Flecken der Verachtung,
     Pepa schloß einfach nur nicht die Augen, während er sich vor dem Liebhaber des hübschen Kindes weh tat. Und der Deutsche,
     was tat er, fiel er ihm in den Arm, versuchte er, ihn mit Worten seiner Muttersprache zu trösten, nein, er stand neben dem
     Sandkasten und starrte ihn an, ihn, den keine Macht bewegen konnte, den Gürtel aus der Hand zu geben. Sein Gesicht brannte
     jetzt, und wäre der Gastgeber aus seinem Haus gekommen und hätte ihn gebeten, Vernunft anzunehmen, hätte er, der begnadete
     Jazzgitarrist, ihn angeschrien: Wieso, verdammt noch mal, sprecht ihr über den Trompeter im Weizenfeld?! Der Kerl liebt die
     Sensation, wir aber wissen doch … Was wissen wir? rief er laut, wir wissen, schrie er, daß wir in unseren kleinen Kammern
     üben müssen. Damit sie uns nicht sehen. Wer soll uns nicht sehen? Die Menschen, vor denen wir auftreten. Morgen haben wir
     unseren Auftritt, und ihr Schweine habt ihn mir verleidet mit dieser Geschichte! Hört ihr? …
    Und sie hörten ihn, die meisten jedenfalls, nur die jungeFrau und der Kontrabassist waren Rücken an Rücken eingeschlafen und würden erst am Frühstückstisch von den unseligen Ereignissen
     erfahren, fast alle Musiker also hörten Pepa wider sie grollen. Vielleicht entschied es sich auf dem Höhepunkt seines Wutanfalls,
     vielleicht störte sie der Schnalzlaut des Gürtels, immer und immer wieder der Peitschenhieb, sie schälten sich, einer nach
     dem anderen, aus den Betten und folgten dem Weg ins Freie, barfuß waren sie und halb nackt, sie sahen ihn und seine aufgeplatzten
     Augenbrauen, denn mittlerweile war er dazu übergegangen, sich mit der Metallschließe in seiner Faust zu schlagen. Die Musiker
     schritten in seine Richtung, und dann holte der erste aus und verpaßte Pepa einen Tritt, der zweite und der dritte rempelte
     und trat, sie waren jetzt über dem Darniedergesunkenen und traten und schlugen. Plötzlich trieb der Kubaner einen Keil zwischen
     die Schläger und sagte einige Worte auf tschechisch, Ferda konnte sehen, wie die Saxophonisten und die Posaunenbläser mit
     sich rangen, doch schließlich ließen sie von Pepa ab und kehrten zurück in ihre kalten Betten. Da lag er, blutend. Er weinte
     nicht. Er wimmerte nicht. Und als Ferda sich später auf der Matratze ausstreckte, wußte er, daß er Aneschka nichts von den
     unwürdigen Vorgängen zwischen dem Haus und der Scheune erzählen durfte, er hatte Pepa aufgeholfen, und Pepas Blut war ihm
     auf dem Handballen getrocknet, er starrte die unter dem Oberlicht aufgestellte Wäschespinne an, an der seltsamerweise kein
     Wäschestück hing, und da drang das Dunkel in seine Augen, und er schlief ein, Rücken an Rücken mit einer still weinenden Frau.

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    Die Handtücher auf der Schulter, die zerschrammten nackten Füße in den Sandalen: Die junge Frau Lujza entdeckte die Männer
     vor der Scheune, Pepa saß still auf einem Baumstumpf,und da er in nüchternem Zustand jede vorbeigehende Frau höflich nach Nichtigkeiten zu fragen pflegte, sagte Lujza, danke,
     sie hätte zum Frühstück Blaubeeren aufs

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