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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Musiker mährische Volkslieder sangen und mit den Instrumenten zum Essen klapperten und klopften, störte nicht seinen Schlaf.
     Ferda schlug den Reiseführer über das Böhmische Kanada auf und sang zur Melodie der Lieder die deutschen Ortsnamen vor sich
     hin, Sichelbach Dobroten Albern, Thaya Datschitz Meires Modes Lipolz Temmerschlag, Markel Romau Stoitzen Strakonitz Platz,
     Zlabings Jareschau Stein-Moliken Wetzlers Wiltschitz Wolfers, Landstein Lainsitz Rosenau Wesseli an der Lainsitz. Pepa hatte
     also einen Teller Linsensuppe und einen Teller Lendenbraten bestellt, was für ein Luxus, das Essen stehenzulassen, was für
     ein Lumpenhund, daß er Heißhunger vorgetäuscht hatte, das dachten die meisten Musiker, und schließlich erhoben sie sich alle,bezahlten ihre Rechnung bei der Wirtin, die versprach, den schnarchenden letzten Gast bald wachzurütteln.
    Ferda sah die Männer die ungepflasterte Straße hinunter zum Bauernhof torkeln, sie schlugen an der Kehre den Weg nach links
     ein, und als er zurückblickte, starrte ihn der kubanische Trompeter an. Seltsam doch, daß er mit der Jazztruppe durch südböhmische
     Dörfer zog, ohne mehr zu verlangen als einen Schlafplatz, eine Schüssel Suppe und Benzingeld, der Vogel schaukelte jetzt auf
     seinem Taureifen, schnarrte und pfiff – davon unbekümmert schlief Pepa tief, und sein gerader Oberkörper sackte langsam zur
     Seite. Der Kubaner schloß sich Ferda an, jeder der beiden verschränkte die Arme vor der Brust, um sich zu schützen gegen die
     Nachtkälte, und als sie den Innenhof betraten, kam ihnen schon der Gastgeber entgegen. Kein Erbarmen mit den Nachzüglern,
     sagte er, auch ihr müßt euch vorm Schlafengehen putzen, daß ihr mir auch nicht die Bettwäsche verdreckt. Es waren halb im
     Scherz gesprochene Worte, deshalb überließ Ferda dem Kubaner den Vortritt und wusch sich dann aber halb im Scherz den glänzenden
     Rauhreif vom Gesicht. Er stieg vorsichtig die Treppe hoch und bewegte sich stockend zwischen den Matratzen, auf denen die
     Suffseligen lagen, schließlich fand er den ihm zugewiesenen Schlafraum, der Komponist und die Frau, die man ihm als langjährige
     Freundin der Familie vorgestellt hatte, waren schon eingeschlafen. Und dort, hinter dem ausgedienten Klavier, das man wie
     einen Raumteiler an die Wand geschoben hatte, dort im hintersten Winkel lag Aneschka, ein Polinko unterm Pappendeckel, ein
     Stöckchen unter dem Pappdeckel, sie schlief oder gab vor zu schlafen. Den ganzen Abend hatte sie sich vor ihm verborgen, alles
     war klar, und er aber wußte nicht Bescheid. Langsam streifte er die Strümpfe ab, und als er auf einem Bein stand, mit den
     Strümpfen in der Hand, flüsterte sie, er sollte ihr von seinem Abend erzählen, und er sprach, daß ihn die Musiker fast die
     ganze Zeitin ihre Unterhaltungen einbezogen hatten. Er hatte ihr vom Mondglanz der zerkochten Knoblauchzehen erzählen wollen, doch
     da klingelte sein Mobiltelefon in der Hosentasche, vor Schreck fiel er hin, dann lief er aus dem Zimmer, rannte die Treppen
     hinunter und stieg im Innenhof vorsichtig über den Gitarristen, der auf dem Sand im Kasten ausgestreckt lag – Mutter, sprach
     er, mir geht es gut. Ja, sagte sie, ja. Dein Vater darf die große schwarze Sonnenbrille nicht aufsetzen, es irritiert Belinda,
     sie möchte uns in die Augen schauen, wenn sie hechelt. Und sie hechelt vor Freude, wenn sie mich sieht, sie bettelt immer
     darum, daß ich ihr drei Kekse in ihren Napf zerkrümele. Dein Vater hat sich daran gewöhnt, am Morgen erst Belinda auszuführen
     und dann das Teewasser aufzusetzen. Die Nachbarn haben ihre Analyse abgeschlossen, sie denken, wir würden in Belinda ein illegitimes
     Enkelkind sehen. Sie hat zwar zwei Ohren, zwei Augen und einen Mund, aber ich würde nie auf den Gedanken kommen, sie zu windeln.
     Ist Aneschka schwanger? … Um Gottes willen, nein, rief Ferda aus, und er dachte, daß seine Eltern in einer anderen Zeitzone
     lebten und daß sein Vater in zwei Stunden aufstehen würde. Seine Mutter hatte eines Tages erklärt, sie würde der Nachtruhe
     nicht mehr soviel Bedeutung beimessen, und also dämmerte sie bei Tage und wachte in der Dunkelheit. Sie sprach von einer Schlange,
     die vor ihr große Angst hatte und deshalb anfing zu zittern, wann immer sie sich zufällig trafen, eine Schlange im Haus wäre
     doch kein Unglück, sie wünschte dem Sohn gute Nacht …
    Pepa stützte sich mit den Ellenbogen auf und zerstörte dabei die

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