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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Er streuselte
     Röstzwiebeln auf die Scheiben, ich aß und wurde satt. Viel später im Zug packte ich den Reiseproviant aus, den er mir mitgegeben
     hatte, und während ich in die Schmalzbrotscheibe biß, dachte ich an seine Herbstliebe, schlief ein und wachte erst in Bratislava
     auf. Dutzende von orthodoxen Juden drängelten sich auf dem Bahnsteig, woher kamen sie, wohin gingen sie, wollten sie alle
     etwa in den Zug steigen? Ein zehnminütiger Halt war vorgesehen, ich rauchte auf der Zugtreppe und wurde aber von zwei Polizisten
     über das strikte Rauchverbot in slowenischen Bahnhöfen aufgeklärt, sie scheuchten mich wieder hinein. Beim Halt in Breslau
     wagte ich nicht auszusteigen, ein alter Mann in kurzen Hosen löffelte stehend rote Konfitüre aus dem Glas, selbstvergessen
     und zu dieser Nachtstunde nicht unglücklich, ausseinem klaffenden Rucksack hingen nasse weiße Badetücher herunter. Rauschen in meinen Ohren. Der alte Schnellzug beschleunigte
     auf der Strecke zwischen den Kleinstädten, die Räder dröhnten auf den Schienen, und die leichten Taschen fielen von den Kofferablagen,
     ich bekam Angst vor einem schnellen Ende, ich bestellte auf deutsch auf englisch vom Zug aus ein Taxi, und mein bißchen Tschechisch
     reichte aus, um die Telefonistin zu verstehen, der Fahrer würde auf mich vor dem Seitenausgang des Bahnhofs vor der Fantova
     Kavarna warten.
    Doch dann stand ich am Scherengitter, das die Putzfrau gerade eben heruntergelassen hatte, und sie verweigerte mir den Durchgang
     durch das Café auf den Vorplatz. Ich vereinbarte einen anderen Treffpunkt, lehnte mich in der dunklen Tiefgarage gegen einen
     Pfeiler, in meinen Ohren ein leises Wispern, als bliese eine Brise über den Grund scheuernde Sandkörner aus der Ohrmuschel
     heraus, und als ich endlich im Fonds des Taxis sitzen durfte, schrie ich gegen das Wispern an. Der Fahrer wollte das Gespräch
     nicht fortsetzen, er wuchtete meine schwere und meine leichte Tasche aus dem Kofferraum, stellte sie vor die Tür des Hauses.
    Ich bin in ihrem Dorf, dachte ich, es ist halb vier morgens, hoffentlich wecke ich nicht ihren Vater auf. Der Komponist schloß
     mir die Tür auf, er hatte sich noch nicht schlafen gelegt, ich schüttelte ihm und Libor die Hand. Und ich setzte mich zu ihnen
     an den Küchentisch. Keine Sensationen – Libor schwor, er würde sich die pochenden Backenzähne nicht ziehen lassen, er nahm
     starke Schmerztabletten und verzichtete auf das Bier, der Komponist schwor, er würde Krater im Zahnfleisch in Kauf nehmen,
     denn alles andere stünde gegen die Zivilisation. Ich wünschte gute Nacht, stieg die Wendeltreppe hoch und klopfte gegen ihre
     Tür, auch sie war noch auf, sie küßte mich zur Begrüßung nicht auf den Mund. Ich wollte Gretá mit einer Stalinbüste beschenken,
     sagte ich, dieBudapester wollten mir dabei kaum helfen, es gibt keine Büsten und keine Stalinisten in Budapest. Die roten und weißen Rosen
     hingen einzeln oder im Strauß kopfüber an Angelschnüren von den Deckenbalken herab, und nun nahm Aneschka, vor meinen Augen,
     die Rosenabhängung vor: Sie stieg auf den Trittstuhl, zog mit einer Rohrzange die Reißzwecken heraus, und am Ende trug sie
     eine große Tüte vertrockneter Blumen zum Müllcontainer, und als sie zurückkam, sagte sie mir, ihrem fast ertaubten Geliebten,
     daß ich mir bitte keine Eifersucht einbilden sollte, sie hätte die Rosen von Bekannten erster und zweiter Güte bekommen, zum
     Geburtstag und zu anderen besonderen Anlässen. Der Wind wehte durch das offene Fenster amerikanischen Lärm herbei, ein Lied
     über tote süchtige Seelen, die ihr blutendes Herz dem Nichts vorzeigten, und ich steckte durch das Kippfenster in der Dachschräge
     meinen Kopf, und ich wünschte mir, daß sie sich an mich schmiegte. Und es geschah.
     

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    hexenbesen
    Wie die Frau des zornigen Regisseurs im Keller alte Gespenster aufscheucht und von Hochstaplern belauert wird; und wie Ferda in Krakau der verzweifelten Dame, einer listigen Witwe, drei zwielichtigen Altwarenhändlern und einem kummervollen Tataren begegnet
     
    Traurige Funde. Zerbrochene Kaminfliesen, Läusekämme aus Ton, Öllämpchen, Schwefelscheiben zum Herstellen von Marzipanreliefs,
     Schokoladenhohlformen. Und der traurigste Fund: die jahrhundertealten Pflaumenkerne aus einem Wasserloch.
    Stell dir vor, sagte sie leise, ein Mann, den wir heute wegen seines müden Gesichts für einen Fremden hielten, ißt Lammlendchen
     und –

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