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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Abdrücke, die Haut am Rücken hatte sich in Schuppen gelöst,seltsam war es, daß er plötzlich stehenblieb und sich nach dienstbaren Geistern umsah, und tatsächlich eilte eine Angestellte
     herbei und stapfte nach kurzer Unterredung auf englisch zur Verlandungszone, die als solche auf einem Emailleschild ausgewiesen
     war. Kaum hatte sie zwei Schritte gemacht, kam ihr das Mädchen entgegen, hinter ihm ein hagerer Mann mit einem Fotoapparat
     in der Hand. Der Spanier setzte sich in Bewegung, versetzte seiner Tochter eine Ohrfeige, dann riß er den Hageren um, und
     beide fielen ins Wasser. Kommen Sie, sagte jemand, hier brennt die Hölle.
    Ich schlang das Badetuch über meine Hüften, ließ das Buch liegen, ich würde weder heute noch morgen darin lesen, wenige Minuten
     später saß ich im Strandcafé und hielt mich zurück, ich wollte sie nicht bedrängen, sie würde mir schon erklären, wieso sie
     meiner Spur von Budapest nach Siofok am Plattensee gefolgt war, man kannte sie hier nicht, und keiner steckte ihr Rosenknospen
     ins Haar. Die Geräusche, die Laute, der Lärm – sie wurden verschluckt, ich nahm alles gedämpft wahr, Eszter begann zu sprechen,
     ich verstand sie sehr schlecht, und als ich sie bat, das Gesagte zu wiederholen, hörte ich meine Stimme in meinem Kopf hallen,
     ein leises Rauschen hinter der Stirn.
    Was in Gottes Namen ist mit mir passiert, sagte ich, und sie bedeutete mir mit der Hand, die Stimme zu senken, sie kam näher
     heran und sprach in mein Ohr. Sind Sie getaucht? sagte sie, wenn ja, dann sind Ihnen die Ohren zugefallen. Waren wir nicht
     schon zum Du übergegangen, ich wußte es nicht mehr. Sie bat mich mitzukommen, und während wir uns zwischen den Tischen und
     Liegen einen Weg bahnten, sprach sie einzelne Worte oder kurze Sätze, es mußte für Außenstehende den Eindruck erwecken, als
     liebkoste sie mich am Ohr – ich erschrak und ruckte zurück, und als der Bademeister uns von weitem kommen sah, fing er an,
     über das ganze Gesicht zu strahlen: Nein, er hatte sich getäuscht, nein,ich war kein lüsterner Urlauber, nein, an meiner Seite war sogar eine Ungarin, der er nicht erst umständlich die Regeln für
     den Aufenthalt im Badezentrum erklären mußte.
    Doch er konnte uns nicht helfen, der herbeigerufene Sanitäter händigte mir vier Wattestäbchen aus und verschwand wieder, Eszter
     stieg in das kleine Becken, und ich folgte ihr, ein Schild wies darauf hin, daß die Wassertemperatur sechsunddreißig Grad
     betrug, ich legte den Kopf in den Nacken und schaute zu den Luftschächten an der Decke. Was hatte ich nur gehofft, in diesem
     Hotel mit den anständigen Angestellten zu finden, sah die Rosenstreuerin in mir einen harmlosen Mann, in dessen Nähe sie sich
     aufhalten konnte, ohne Gefahr zu laufen, in eine unmögliche Liebe verstrickt zu werden?
    Sie sagte: Fast hätten Sie über Umwege über meinen gewaltsamen Tod erfahren müssen, ich hatte mich eigentlich längst entschieden,
     ich wollte brennen im Sturz – ist es nicht verrückt, daß ich bekümmert bin, weil ich nicht wie vorgesehen starb? … Nein, sagte
     ich … Doch, es ist verrückt, und es ist auch traurig. Sie müssen keine Angst haben, es gibt eine abwesende Frau in Ihrem Leben,
     und in meinem Leben gibt es einen abwesenden Mann, das ist mein Vater. Seien Sie beruhigt, Sie haben keine Mittelohrentzündung,
     ich vermute, das Ohrfett ist zu Klumpen verbacken und weiter nach innen gewandert. Ich will Ihnen etwas verraten: Budapest
     gleicht in diesen Tagen einem Blutfeld, der irre Meister der Anbeter läßt seine Schergen durch die Straßen streifen, und sie
     aber stoßen überall auf eine Übermacht. Als reichte es den Menschen, als haßten sie die Hitze und den Groll, als wollten sie
     nicht länger in dumme harte Gesichter schauen. Unterwegs im Zug rief man mich immer wieder an, man berichtete mir über die
     Zusammenstöße, und über das Blut. Bald wird man an seine Tür klopfen, er hat auch keine Teller mehr, die er zerschmeißen kann.
     Bald zerrt man ihn heraus aus seiner Grotte. Ich bin hier bei Ihnen, weil ich etwas ratlos war. Es machtmich ratlos, am Leben zu sein, meine Pläne und die Pläne des Irren sind zunichte gemacht worden. Ich begleite Sie am besten
     zu einem Arzt in der Stadt … Nein, sagte ich, ich habe mich entschieden, ich fahre morgen ab …
    Ich beteuerte ihr, daß es nicht an ihr lag, ich log ein bißchen, tatsächlich wollte ich einfach nur meine Ruhe, die Stürme
     und

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