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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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seinen Worten vorsichtig
     sein? In dieser Liebe nicht, nicht zu dieser Stunde.) Sie war nicht in der Stimmung, ihre Küsse durchs Telefon zu hauchen,
     also schwieg sie, und er legte einfach auf, der Abschied fiel ihm diesmal leicht.
    Fast alle Frauen, die einen Mann liebten, zeigten sich an diesem Tag unnahbar, und die Männer, die ihre Kälte spürten, wandten
     sich ab von ihnen, nur für diesen Tag: Ferdas Kopf sank in die Mulde zwischen zwei Falten des Musselinvorhangs, dann auf das
     Kissen, der Vorhangsaum bedeckte Stirn Augen Nasenwurzel, zwei Fünftel seines Gesichts waren verborgen, die restlichen drei
     Fünftel vom feuchten grauen Gespinst verklebt, es war wie getrocknetes Pistazienharz, in dem Vogelfedern steckten, es war
     ein gehärteter Traumsud mit Splittern aus kleinen Wünschen. Nur bei Regenwetter fühle ich mich derart schlecht, dachte er
     und wartete auf den Anruf des Alten aus Istanbul, er würde ihn zum Saubermachen anstiften, zum Fensterputzen, denn der Tatendrang
     stellte sich nicht von alleine ein. Morgen war vielleicht der schönste Tag in seinem Leben.
    Und der Fotograf? Seine Zugehfrau hatte ein frisches Handtuch längs gefaltet und über den Waschbeckenrand gelegt, und über
     diese Kleinigkeit freute er sich … wie konnte er also Cora besänftigen, da er doch nur in Ruhe einen Kaffee ohne Milch und
     Zucker trinken wollte, hier in der Küche. Ich bin so verlegen wie selten in meinem Leben, sagte sie, erzähl mir jetzt nichts
     von der Mücke und dem Elefanten, ich will jetztgehen … Natürlich ließ sie sich erst einmal auf einen Stuhl fallen, sie stützte sich wegen ihrer herabhängenden Hälfte an
     der Rückenlehne eines anderen Stuhls, ihre Wut war verraucht, und nun schaute sie ihn auf eine sonderbare Art an, ihr Blick
     streifte ihn immer wieder, es war der verbotene Blick eines Kindes auf das Bett im Elternschlafzimmer, dann aber kam die junge
     Tschechin und sagte: Darf ich euren Streit als erledigt betrachten? (In das Leben der anderen geriet sie sehr oft, öfter als
     nötig. In ihren Brillengläsern sollten sich die Männer und Frauen ruhig spiegeln, aber zu große Nähe war Verhängnis. Wer litt,
     blieb zu Hause und ging nicht tanzen.)
    Der Fotograf wollte zu einer höflichen Antwort ansetzen, doch da flog die angelehnte Wohnungstür plötzlich auf, und dann sahen
     sie ihn alle, Aneschka, Helen, Cora. Der Fotograf, der dem Spanier am nächsten stand, schaute in die Mündung einer Waffe,
     einer Gaspistole, doch das konnte er nicht wissen, und sie warteten auf einen Drohruf, auf einen Verzweiflungsschrei, auf
     die Ankündigung, daß er sie als Geiseln in die Küche oder in ein anderes Zimmer sperren würde. Der Spanier richtete die Pistole
     auf den Mann, der ihn mit einer Anstecknadel gestochen hatte, als wäre er ein Insekt, das man in einen Weinkorken pinnt, und
     er war gekommen, um ihm, aber auch seiner gewesenen Freundin Angst einzujagen, man schrieb ihn nicht einfach so ab. Tatsächlich
     verlor er sich in diesen Gedanken, und da flogen ihm zwei rosa Zehentrimmer ins Gesicht, er richtete vor Schreck die Waffe
     gegen die Decke und feuerte einmal ab, der Knall löste den Fotografen aus der Erstarrung, und er klappte in der Körpermitte
     ein und bohrte sich mit dem Kopf voran in den Spanier. Sie fielen auf die dicke Schmutzfangmatte, die drei Frauen starrten
     auf das Schulbubengerangel am Boden, Cora bückte sich und hob die Waffe auf, steckte sie zur Sicherheit hinten in den Hosenbund,
     doch dann fürchtete sie, sie könnte aus Versehen losgehen und ihr die heile Hälfte wegschießen, also legte sie sie in dasSpülbecken neben die nicht abgewaschenen und mit Wasser gefüllten Kaffeebecher. Niklas preßte sich mit dem ganzen Körper
     gegen den Spanier, der anfing, wie ein Hundewelpe nach ihm zu schnappen, hör auf damit, schrie er, sonst beiße ich dir das
     schöne Gesicht kaputt, und wie durch ein Wunder hielt der Spanier daraufhin still. Er sprach leise, erst auf spanisch, dann
     auf deutsch, und die drei stehenden Frauen hörten ihm gespannt zu – wann hatte man schon Gelegenheit, einen besiegten Amokläufer
     bei seiner kleinen Beichte zu erleben – ich habe es mir zurechtgelegt, flüsterte er, ein Schritt nach dem anderen, und am
     Ende die böse Überraschung, nicht für mich, für dich, du hast sie mir weggenommen, jetzt habe ich mich kaputtgehauen, ich
     will doch nur … Du bekommst mich nicht, sagte seine gewesene Frau, steh auf und geh einfach

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