Hiobs Brüder
Anfang an eine Katastrophe.«
»Das drückt es gelinde aus«, bemerkte Henry unbekümmert. »Ich habe mich oft gefragt, wie meine Brüder und ich zustande gekommen sind, aber ich glaube, ich will es lieber gar nicht so genau wissen.«
Matilda brummte grantig. »Ich habe König Henry wieder und wieder vor diesem Schritt gewarnt, aber er hat nicht auf mich gehört. Auf niemanden. Er wollte diese Verbindung um jeden Preis, damit Anjou endlich aufhörte, die Normandie zu bedrohen.« Sie schüttelte den Kopf. »Und was hat es genützt? Nichts. Dein Vater hat zugelassen, dass England in Anarchie versank, und sich die Normandie einverleibt.«
»Richtig«, bestätigte Henry mit Inbrunst. »Er wäre ein Narr gewesen, solch eine Chance ungenutzt verstreichen zu lassen.«
Matilda wandte sich wieder ihrem Enkel zu. »Sieben Jahre nach der freudlosen Hochzeit starb König Henry auf einem Feldzug in der Normandie.«
»Ist er gefallen?«, fragte Alan.
Sie schüttelte den Kopf. »Er starb an einer Fischvergiftung. Ich habe ihm immer gesagt, seine unanständige Gier nach Lampreten werde ihn eines Tages umbringen.« Sie lächelte traurig. »Auch in dem Punkt hat er nicht auf mich gehört. Der Hof kehrte nach England zurück, um den König zu begraben. Wir haben Maud beschworen, mitzukommen. Aber dein Vater, Henry, erlaubte es nicht. Er behielt sie in Anjou, denn er wollte sie als Pfand für seine Machtansprüche in der Normandie, und er traute ihr nicht genug, um sie nach England reisen zu lassen. Das war ein Fehler. Hätte er sie gehen lassen, wäre er heute König und du bräuchtest nicht durch die Wälder von East Anglia zu irren auf der Suche nach deiner Zukunft.«
»Ja, nachher ist man immer klüger«, entgegnete Henry. »Aber er hatte recht, ihr zu misstrauen. Sie hat keine Gelegenheit ausgelassen, ihn zu demütigen und seine Pläne zu durchkreuzen.«
»Genau wie umgekehrt«, konterte Matilda. »Mit nach England zurück kam indessen Mauds Cousin, Stephen de Blois. Ein Enkel des großen Eroberers, genau wie Maud und dein Vater, Alan. Darüber hinaus war Stephen König Henrys Lieblingsneffe gewesen. Ein Mann, der in England bekannt und beliebt war, und eben vor allem ein Mann. Ich bin sicher, den Rest kannst du dir denken. Die Lords vergaßen ihren Eid und setzten Stephen auf den Thron. Die Tatsache, dass sein Bruder der mächtige Bischof von Winchester ist und auch damals, vor zwölf Jahren, schon war, hat ihm nicht geschadet.«
»Und die Tatsache, dass niemand in England Henrys Vater, den machtgierigen Geoffrey d’Anjou, auf dem Thron wollte, ebenso wenig«, warf Simon rebellisch ein.
Keiner widersprach ihm. Es war einen Moment still. »Und was war mit … wie war der Name? Robert of Gloucester?«, fragte Alan. »Er war ein Sohn des toten Königs. Wenn die Thronfolge strittig war, warum hat er sich die Krone nicht genommen? Als der lachende Dritte?«
»Er war ein Bastard«, antwortete Henry achselzuckend.
So wie ich, dachte Alan und biss einen Moment die Zähne zusammen, ehe er den offensichtlichen Einwand vorbrachte: »Das war der Eroberer auch.«
»Die Zeiten haben sich eben geändert.«
Aber Matilda war anderer Ansicht. »Ich denke, Robert of Gloucester weiß selber nicht genau, warum er es nicht wenigstens versucht hat. Wenn du ihn dreimal nach dem Grund fragst, bekommst du drei verschiedene Antworten. Tatsache ist: Er ließ Stephen gewähren, als sei er unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Doch als Kaiserin Maud ihren Protesten drei Jahre später Nachdruck verleihen wollte und nach England kam, um sich ihre Krone zu erkämpfen, war ihr Bruder Gloucester vom ersten Tag an auf ihrer Seite. Sehr viel verlässlicher und standhafter als ihr Gemahl.« Wieder traktierte sie Henry mit einem strafenden Blick.
»Der Krieg währt jetzt schon fast neun Jahre, und du hast selbst gesehen, was er aus diesem Land gemacht hat«, nahm Henry den Faden wieder auf. »Gloucester ist ein besserer Soldat als Stephen, das steht wohl fest, aber Stephen hat viel Rückhalt im Land.«
»Weil er ein gerechter König ist«, fügte Simon hinzu. »Sogar milde, wenn die Umstände es erlauben. Die Engländer lieben König Stephen.«
Henry nickte. »Und hassen meine Mutter. Weil sie niemals irgendeinen Versuch unternommen hat, die Menschen hier für sich zu gewinnen. Im Gegenteil: Wenn sie sich überhaupt je blicken lässt, wie damals in London, ist sie herrisch und schroff und bringt es fertig, jeden vor den Kopf zu
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