Hiobs Brüder
Krieg vorbei.«
»Vielleicht ist es das, wofür Gott dich nach England geführt hat«, mutmaßte Alan.
»Als Stephens Pfand?«, entrüstete sich Henry. »Eins sag ich dir, Alan: Wenn das wahr ist, dann bin ich fertig mit Gott!«
»Aber, aber.« Matilda tätschelte ihm nachsichtig den Arm, nicht im Geringsten schockiert von seinen lästerlichen Worten, wie Alan mit Interesse beobachtete. »Nein, ich denke auch nicht, dass es eine gute Idee wäre, wenn du versuchst, nach Bristol zu gelangen. Du hast völlig recht: Du kämest niemals ungeschoren durch die Stephen-treuen Grafschaften. Vermutlich würde einer seiner Lords dir den Kopf abschlagen und ihn mit den besten Empfehlungen zu seiner Mutter nach Devizes schicken, denn die Verbitterung auf beiden Seiten ist so groß, dass Ehre und Anstand bei den Lords keine große Rolle mehr spielen. Der gute Stephen hingegen hält immer noch große Stücke auf Ehre und Anstand. Darum wirst du ihn um Hilfe bitten, nicht Gloucester.«
Die drei Männer starrten sie an. »Ähm … Madame«, stammelte Henry. »Ihr schlagt vor, ich soll den Todfeind meiner Mutter um Hilfe bitten? Warum genau, wenn ich fragen darf?«
»Er ist nicht ihr Todfeind«, widersprach sie. »Er ist ihr Cousin und war immer unglücklich über diesen Krieg.« Sie dachte einen Moment nach, und ein mutwilliges Funkeln trat in ihre blauen Augen, das sie um Jahre verjüngte und von dem einem ganz mulmig werden konnte. »Wir müssen ihn nur an der richtigen Stelle zu fassen bekommen. Jeder Mensch hat einen wunden Punkt. Wenn man ihn berührt, können die erstaunlichsten Dinge geschehen. Stephens Schwachstelle ist sein Familiensinn. Wir schicken ihm einen Boten, der ihm von deiner misslichen Lage berichtet. Damit erreichen wir zwei Dinge: Erstens erfährt Stephen, dass der Sohn seiner Rivalin sich mit Alan of Helmsby verbündet hat, und das dürfte ihm solche Angst machen, dass er fortan keine Nacht mehr ruhig schlafen wird. Zweitens wird der Bote an seine Familienloyalität appellieren und ihn somit zwingen, dir zu helfen und sicheres Geleit für die Rückkehr in die Normandie zu gewähren.«
»Das kann niemals funktionieren«, entgegnete Henry kopfschüttelnd. »So dämlich kann nicht einmal Stephen sein.«
»Doch, es würde funktionieren«, widersprach Simon. Er klang unwillig. Vermutlich war ihm nicht wohl dabei, wie die Gutmütigkeit seines Königs ausgenutzt werden sollte, aber er fühlte sich verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, mutmaßte Alan. Die Zwickmühle hatte nicht lange auf sich warten lassen. »Es wird funktionieren«, wiederholte Simon mit mehr Nachdruck. »Nicht etwa, weil der König ›dämlich‹ ist, wie du es zu nennen beliebst, sondern weil Lady Matilda recht hat: Die Familie geht ihm über alles. Mein Vater hat mit eigenen Augen gesehen, wie König Stephen einen Überläufer begnadigte, als er erfuhr, dass der Kerl ein Bastard seines Cousins war. Er hat getobt und geflucht, dass er ihn nicht aufknüpfen konnte, aber er sah sich außerstande.« Er hob kurz die Hände. »So ist er eben.«
Die anderen schwiegen einen Moment versonnen. Schließlich fragte Henry: »Und wer soll unser Bote sein? Wen gibt es, dem wir so weit vertrauen könnten, und der gleichzeitig Stephens Gehör findet?«
»Das liegt auf der Hand, oder?«, gab Matilda ungeduldig zurück. »Gott hat uns den Boten gnädigerweise gleich mit deiner Zwangslage beschert.« Sie wies auf Simon. »Er ist ein de Clare, denen Stephen vertraut. Aber er wird uns nicht verraten, weil er meinem Enkel gegenüber loyal ist. Er wird es tun.«
Alan stand von der Bettkante auf. »Nein.«
»Warum nicht?«, fragte Matilda.
»Weil er ein Mensch ist und kein Werkzeug. Wenn du dich in Stephen täuschst, wenn auch nur irgendetwas schiefläuft, dann werden sie Simon töten. Und vorher werden sie aus ihm herausholen, wo Henry zu finden ist. Kommt nicht infrage.«
»Aber mein lieber Junge …«, begann seine Großmutter.
»Ich bin nicht dein lieber Junge«, knurrte er. An Henry gewandt fügte er hinzu: » Du hast dir diese Suppe eingebrockt. Also löffle du sie auch aus. Ich bin gewillt, dir zu helfen, aber nicht um diesen Preis.«
»Kann ich vielleicht auch etwas dazu sagen?«, fragte Simon ungehalten.
»Nein«, gab Alan kurz angebunden zurück. »Denn ich weiß, was du sagen willst.«
»Aber es ist ein guter Plan«, beharrte Simon. »Lass es mich versuchen. Ich weiß, ich kann es schaffen.« Trotz der Fallsucht , fügte er nicht hinzu, aber Alan
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