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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Hause zu gehen, wenn ihnen hier irgendetwas nicht passt«, beschied er. »Da Geoffrey de Mandeville tot ist, besteht eigentlich kein Anlass, dass wir sie weiterhin hier durchfüttern, oder?«
    Sie überlegte einen Augenblick. »Nein«, räumte sie dann ein und überraschte ihn mit einem verschwörerischen Lächeln. »Eigentlich nicht. Sie zieren deine Kirche und helfen Guillaume mit den Pachtverzeichnissen, aber sie sind alles andere als unentbehrlich.« Dann beugte sie den Kopf über ihre Arbeit, fädelte einen blauen Faden in die Nadel und begab sich daran, das Gewand des armen Märtyrerkönigs zu sticken.
    »Sie haben ihm die Kleider weggenommen, sagt King Edmund«, bemerkte Alan.
    »Um ihrem Opfer die Würde zu stehlen und es dadurch zu demoralisieren?«, fragte sie, ohne aufzuschauen.
    »Ich nehme es an.«
    »Hm. Aber ich habe Zweifel, dass der Abt einen nackten Märtyrer auf seinem Wandteppich haben möchte.«
    Alan biss sich auf die Unterlippe. »Mir scheint, du bist überaus respektlos, Großmutter.«
    »Das ist der einzige Luxus, den das Alter zu bieten hat: Ich kann es mir leisten, respektlos zu sein. Niemand würde es je wagen, mich zurechtzuweisen. Was macht Henry?«
    »Er ist ausgeritten.«
    Sie sah über den Rand des Stickrahmens. »Allein? Dieser dumme Junge stellt Gott wahrhaftig auf eine Geduldsprobe.«
    »Ja, das scheint ihm großes Vergnügen zu bereiten.«
    »Ich hoffe nur, er nimmt nicht die Straße nach Maldon, denn sie führt an Ashby vorbei, und das gehört einem von Stephens treuesten Rittern.«
    »Maldon …«, wiederholte Alan versonnen.
    »Was ist damit?«
    »Ich … habe vor einigen Tagen einen Bericht über eine uralte Schlacht bei Maldon gelesen.«
    »Ah. Die Fertigkeit des Lesens hast du also nicht vergessen.«
    »Nein.«
    »So wenig wie das Lautenspiel. Das ist gut.«
    »Es waren … kraftvolle Worte. Sehr eindringlich. Und sie kamen mir seltsam vertraut vor. Der Mann, in dessen Haus ich das las, war ein gelehrter Jude. Und er hat gesagt, ich müsse nach meinen Erinnerungen graben. Ich frage mich, ob Maldon der richtige Ort wäre, um damit anzufangen.«
    Matilda ließ die Hände sinken und schenkte ihm ihre volle Aufmerksamkeit. »Ich denke, es ist eher das Gedicht als der Ort, der an deine Erinnerung gerührt hat. Wir haben hier eine Abschrift davon.«
    »Wirklich? Kann ich sie sehen?«
    Seine Großmutter stand auf, ging zu der Truhe, die halb hinter dem Bett verborgen stand, öffnete scheinbar mühelos den schweren Deckel und kehrte kurz darauf mit einem dicken Buch zurück. »Nimm es nur an dich. Ich hatte ohnehin vor, es dir zu geben. Vieles, was du wissen willst, steht darin.«
    Er nahm es ihr aus den Händen, legte es auf den Tisch und schlug die erste Seite auf. »Die Geschichte der Normannen, Engländer und Dänen vor und nach der Eroberung. Von Leif Guthrumson« , las er murmelnd.
    Matilda nickte. »Meine Tante Hyld war mit einem dänischen Seefahrer verheiratet. Dieser Leif war sein Bruder, und er war Ritter bei Hofe. Er hat alles aufgeschrieben. Auch alles, was in Helmsby geschah. Lies es, Alan. Lies es, und du wirst verstehen, wer du bist, selbst wenn du dich vielleicht noch nicht jetzt gleich erinnerst.«
    Alan klappte das Buch zu und strich nachdenklich über den gepflegten Ledereinband, während seine Großmutter zur Truhe zurückging, um den Deckel zu schließen und – wie er interessiert beobachtete – mit einem Schloss zu sichern.
    Als Matilda sich aufrichtete, fiel ihr Blick aus dem Fenster, und sie zischte: »Gott verflucht. Wie hat er nur so schnell davon erfahren?«
    Alan sah auf. »Unliebsamer Besuch?«
    Sie gab einen Laut des Unwillens von sich. »Dieser verdammte Spielmann muss weiter nach Fenwick gezogen sein …«
    Alan kam die Frage in den Sinn, ob sie absichtlich seine Neugier weckte und ihn ans Fenster locken wollte. Falls ja, musste er ihr diesen kleinen Sieg gönnen, denn er war neugierig. Er erhob sich und trat zu ihr.
    Ein sehr fein gekleideter Mann etwa in seinem Alter war in die Burg eingeritten, und aus allen Richtungen eilten Wachen und Knechte herbei, um ihn zu begrüßen und seinen Steigbügel zu halten. An seiner Seite ritt eine junge Dame in einem feinen, lindgrünen Umhang. Als sie die Kapuze zurückschlug, enthüllte sie unter einem hauchzarten Schleier eine Haarpracht von einem so ungewöhnlichen Weißblond, dass es den Betrachter selbst unter dem grauen Himmel zu blenden schien.
    »Wer ist das?«, fragte Alan interessiert.
    »Haimon de

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