Hiobs Brüder
Earl of Pembroke Euer Vater?«
Simon reichte Leicester den ersten vollen Becher. »Mein Onkel.«
»Und Ihr könnt ihn nicht ausstehen, merke ich. Das spricht für Euch. Seid Ihr auf der Flucht vor ihm und deswegen verkleidet?«
Simon schüttelte den Kopf und führte seinen Becher an die Lippen, um nicht antworten zu müssen. Es war Cider, stellte er fest. Süffig und süß und stark. »Daraus, dass Ihr auf meinen Onkel schlecht zu sprechen seid, darf ich schließen, dass Ihr es mit der Kaiserin haltet, Monseigneur?«
Leicester brummte angewidert und winkte ab. »Ich glaube, so langsam halte ich es mit niemandem mehr, mein Junge. Weder Stephen noch Maud haben die Treue eines aufrechten Mannes verdient. Ich habe diesen Krieg satt , das kann ich Euch sagen.«
»Ist das der Grund, warum Ihr Euch mitten in der Fastenzeit am helllichten Tage betrinkt?«, erkundigte Simon sich mit kühler Höflichkeit.
Godric und Wulfric, die ebenfalls die Becher gehoben hatten, setzten erschrocken ab und starrten ihn an.
Doch der Earl of Leicester stürzte sich nicht mit einem Wutschrei auf Simon, wie sie vermutlich befürchtet hatten. Stattdessen betrachtete er den mageren jungen Normannen mit hochgezogenen Brauen und einer seltsamen Mischung aus Belustigung und Hochachtung. »Ein loses Mundwerk ist ein gefährliches Laster in diesen Zeiten, de Clare«, bemerkte er liebenswürdig.
»Nicht ich war indessen derjenige, der den König und die Kaiserin beleidigt hat, Mylord.«
»Tja.« Leicester legte beide Hände um den Becher. »Da habt Ihr recht. Und um Eure Frage zu beantworten: Ich betrinke mich, weil der Bischof von Winchester mir meine Jagdhunde gestohlen hat und es nichts, absolut nichts gibt, was ich dagegen tun kann.«
Simon und die Zwillinge wechselten verwunderte Blicke.
»Vor zwei Tagen ritt ich in meinen Wäldern hier in der Nähe zur Jagd«, berichtete Leicester. »Der Bischof kam mit großem Gefolge aus York zurück. Wir trafen uns auf der Straße. Und plötzlich verlangt dieser verfluchte Pfaffe von mir, ich soll ihm meine Jagdhunde schenken. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Ich war geneigt, meinen Ohren zu misstrauen, aber meine Hunde hatten es ihm angetan. Er wollte sie haben. Ich habe durchblicken lassen, dass er sich seine Wünsche sonst wohin stecken soll. Da sagt dieser Kerl, er werde mich exkommunizieren, wenn ich ihm die Hunde nicht gebe.« Er hob beide Hände zu einer Geste der Hilflosigkeit und legte sie dann auf die Tischplatte. »Was konnte ich tun?«
Er sprach mit einem gewissen Maß an Resignation, aber es war unschwer zu erkennen, dass er über diesen Akt kirchlicher Willkür wirklich erschüttert war. Und das ließ ihn so menschlich erscheinen, dass Wulfric zu fragen wagte: »Aber könnt Ihr Euch nicht beschweren, Mylord? Den Bischof beim König anzeigen?«
Leicester lachte kopfschüttelnd vor sich hin.
»Muss ein Bischof dem König nicht gehorchen?«, fragte Godric Simon unsicher.
»Der Bischof von Winchester ist König Stephens Bruder«, erklärte dieser. » Er hat Stephen auf den Thron gesetzt. Und folglich lässt er sich vom König keine Vorschriften machen.«
»So ist es«, bestätigte Leicester bitter. »Also hat er meine Hunde bekommen. Und weil es ihm solche Wonne bereitet hat, mich zu …« Im letzten Moment brach er ab, anscheinend erschrocken darüber, wie sehr der Cider seine Zunge schon gelöst hatte. »Er hat mir erklärt, er werde den Vorfall großmütig vergessen, wenn ich in Luton ein Hospital für bedürftige Wanderer stifte. Wir waren in der Nähe, wie gesagt, es war das Erste, was ihm einfiel.« Er trank einen Schluck, dann sah er Simon wieder an. »Ich habe nichts dagegen, hier ein Hospital zu stiften. Es ist sogar eine gute Idee. Aber ich ersticke fast an meinem Zorn, de Clare.«
Simon sprach aus, was die Zwillinge nur dachten: »Dann wisst Ihr jetzt, wie die Engländer sich fühlen, seit dieser Krieg ausgebrochen und Anarchie über das Land gekommen ist, Mylord of Leicester. Seit Jahren leiden sie unter der Willkür von Männern wie Geoffrey de Mandeville oder Ranulf of Chester oder …«
»Robert of Leicester?«, warf ihr Gastgeber ein.
Doch Simon schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste. Aber es gibt kein Recht mehr im Land. Weil der König nicht die Macht hat, es zu wahren. Und die Kaiserin auch nicht.«
»Nein. Und sie machen mich krank, alle beide. Sie zerren um die Macht wie Köter um einen Knochen, und ihnen ist es völlig gleich, dass das Land dabei
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