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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und hielt sie ihm einladend auf.
    Er betrachtete sie einen Moment. Das weiße Couvre-chef wurde heute von einem goldenen Stirnreif gehalten, und die alte Dame wirkte erhabener denn je. Das macht sie absichtlich, schloss er, während er wortlos über die Schwelle trat.
    »Bist du mir noch gram?«, fragte sie ohne Vorrede.
    »Und wenn es so wäre?«, entgegnete er und setzte sich ungebeten auf den gleichen Schemel wie zuvor. »Du hast bekommen, was du wolltest. Das ist es, was zählt, oder?«
    Sie schwieg einen Moment. Schließlich antwortete sie zögernd: »Weißt du, ich habe hier drei Jahre lang die Entscheidungen getroffen, von denen ich glaubte, sie seien in deinem Sinne. Nichts anderes habe ich gestern getan. Aber wahrscheinlich war es nicht recht von mir zu denken: Der alte Alan würde dieses Vorgehen billigen, also muss ich den heimgekehrten, veränderten Alan vor ein Fait accompli stellen. Ungeduld war immer meine größte Schwäche. Alle Fehler, die ich in meinem Leben gemacht habe – und das waren viele, mein Junge, glaub mir –, habe ich begangen, weil ich nicht warten konnte. Aber ich bin nicht das gefühllose, herrschsüchtige Ungeheuer, für das du mich wahrscheinlich hältst.«
    Er sah verblüfft auf und war erstaunt, ein schmerzliches Lächeln auf ihrem Gesicht zu finden. Er ließ sich indessen nicht davon besänftigen. »Ich weiß nicht, wer oder was du bist, und ich maße mir kein Urteil an«, gab er kühl zurück. »Aber wenn Simon de Clare nicht zurückkommt, werde ich dir das niemals verzeihen.«
    Ihre Augen verengten sich ein wenig, als habe ein unerwarteter Schmerz sie durchzuckt. »So teuer ist er dir?«, fragte sie.
    Er nickte. »Ich erwarte nicht, dass du das verstehst. Aber diese Menschen, die mit mir hergekommen sind, sind alles, was zwischen mir und dem Abgrund steht. Ich kann es mir nicht leisten, verschwenderisch mit ihnen umzugehen.«
    »Eigenartig. Früher hast du niemanden gebraucht. Du warst der einzige wirklich unabhängige Mensch, den ich je kannte. Ich habe immer geglaubt, es liege daran, dass du ein so einsames Kind warst. Denn das warst du. Ich habe getan, was ich konnte, um dir Vater und Mutter und Geschwister zu ersetzen, aber natürlich konnte ich das nur bis zu einer gewissen Grenze. Du hast auch nie zugelassen, dass jemand diese Grenze überschritt.«
    Ich glaube, daran hat sich wenig geändert, fuhr es Alan durch den Kopf. Doch was er sagte, war: »Ich bin hier aufgewachsen? In Helmsby?«
    Sie nickte. »Wo sonst? Es war und ist dein Zuhause. Dein Eigentum.«
    »Aber wie ist das möglich?«, fragte er. »Wie kann ich Helmsby geerbt haben, wenn ich William Æthelings Bastard bin? Gab es keinen legitimen Erben?«
    »Mein Bruder Richard und seine beiden Söhne waren gestorben, wie ich schon sagte«, antwortete sie. »Und König Henry wusste, dass du sein Enkel warst. Er hat dich ebenso großzügig versorgt wie seine eigenen Bastarde und dir Helmsby als königliches Lehen gegeben. Du bist ein Kronvasall, Alan.« Sie sagte es mit unüberhörbarem Stolz.
    Er nickte wortlos, und sein Blick fiel auf den Stickrahmen, der neben dem Tisch stand und an dem Matilda offenbar gearbeitet hatte, ehe er gekommen war. Ein helles Leinentuch war eingespannt, die Stickerei darauf gerade erst begonnen. Eine Kohlezeichnung verriet, was das Bild einmal darstellen sollte. Alan unterdrückte mit Mühe ein Schaudern: Es war das Martyrium des heiligen Edmund.
    »Es ist für die Kirche in Bury, wo er begraben liegt”, erklärte Matilda, die seinem Blick gefolgt war.
    »Es wird großartig«, befand Alan.
    »Das will ich hoffen. Der Abt hat es bereits bezahlt. Wie ich höre, ist einer unter deinen Gefährten, der mir bezüglich meiner bildlichen Darstellung mit unvergleichlichem Detailwissen zur Seite stehen könnte?«
    Alan lächelte wider Willen. »Ich schwöre dir, wenn du ihn seine Geschichte erzählen lässt, kommst du ins Grübeln, Großmutter. Er ist ungeheuer überzeugend.«
    »Auf jeden Fall glauben die Bauern ihm. Er hat gestern Abend ein ziemliches Spektakel im Dorf veranstaltet, berichtete man mir.«
    »Und wenn schon.«
    »So etwas sorgt für Unruhe unter den Menschen. Du solltest das unterbinden.«
    Er hob gleichgültig die Schultern. »Ich bin in keinerlei Position, ihm Vorschriften zu machen, und ich sehe auch keine Veranlassung dazu. Er ist harmlos.«
    Sie stieß hörbar die Luft aus. »Die drei Brüder aus Ely sind besorgt deswegen.«
    »Den drei Brüdern aus Ely steht es frei, nach

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