Hiobs Brüder
stand auf, und es knackte vernehmlich in seinen Knien. »Ich werde nachschauen, wie es um uns bestellt ist.«
Losian erhob sich ebenfalls, kam, obwohl doch auch seine Glieder kalt und steif sein mussten, in einer fließenden Bewegung auf die Beine, ohne sich mit den Händen aufzustützen. Simon erkannte in der Bewegung die Grazie und Kraft eines lebenslangen Schwertkämpfers und unterdrückte ein neiderfülltes Seufzen.
»Lasst uns alle hinuntergehen«, schlug Losian vor. »Es gibt sicher jede Menge zu tun.«
»Ihr wollt mich schon verlassen?«, fragte Regy betrübt. Es war das erste Mal seit Losians Drohung, dass er den Mund aufgemacht hatte. »Es war mir eine wahre Freude, euch in meiner Halle beherbergen zu dürfen, teure Freunde, wenn schon nicht unter meinem Dach, denn ich hab ja keines mehr.«
Losian bedachte ihn mit einer spöttischen kleinen Verbeugung. »Hab Dank für deine Gastfreundschaft.«
»Es regnet mir äußerst unangenehm auf den Kopf, möchte ich anmerken. Gedenkst du, mich auch weiterhin hier zu lassen?«
»Wir werden sehen«, gab Losian zurück und wandte ihm den Rücken zu. »Du bist im Moment die kleinste meiner Sorgen«, eröffnete er Regy rüde und ging hinaus.
»Das werden wir ja sehen …«, raunte Regy ihm nach.
Simon betrachtete ihn noch einen Augenblick mit einer Mischung aus Abscheu und Neugier. Regy schürzte die Lippen und hauchte ihm einen Kuss zu. Schaudernd wandte Simon sich ab und folgte den anderen.
Fast prallte er gegen Oswalds Rücken, denn sie alle waren auf dem breiten Treppenabsatz vor der Tür der Halle stehen geblieben und starrten in den unteren Burghof hinab. Als Simon sich auf die Zehenspitzen stellte, um ebenfalls einen Blick zu erhaschen, entfuhr ihm ein Schreckenslaut. »Mein Gott … entschuldige, King Edmund«, fügte er hastig hinzu, denn wenn es etwas gab, das King Edmund wütender machen konnte als Flüche, dann war es, den Namen des Herrn eitel zu führen.
Es war ein Beweis für das Ausmaß von Edmunds eigener Verstörtheit, dass er abwesend murmelte: »Schon gut, Jungchen.«
Der untere Burghof bot einen Anblick vollkommener Zerstörung, und ihre Befürchtung der vergangenen Nacht wurde Gewissheit: Niemand von denen, die es nicht auf die Motte hinauf geschafft hatten, konnte dort unten überlebt haben. Keine einzige der Holzhütten stand mehr, nur noch hier und da ein paar Gerippe. Die Erde war eine Schlammwüste, auf der zersplitterte Bretter, Balken und sonstige Trümmer verstreut lagen. Überall standen große Pfützen, in denen sich der graue Himmel spiegelte, und so etwas wie ein Flussbett hatte sich gebildet, das ungefähr von der Mitte des Hofs zu der breiten Schneise in den äußeren Palisaden führte.
»Als hätte eine Armee von Riesen diese Burg geschleift«, sagte Godric schließlich fassungslos.
»Häuser weg«, murmelte Oswald bestürzt. Blinzelnd schaute er sich um, unfähig zu begreifen, wieso die Welt, die er kannte, mit einem Mal in Trümmern lag, und anscheinend ohne es zu merken, ging er wieder auf Tuchfühlung mit Losian und ergriff verstohlen dessen Hand.
Losian befreite sich, nicht mit einem schroffen Ruck, aber entschieden. »Es sieht schlimmer aus, als es ist, Oswald«, sagte er.
»Blödsinn«, widersprach Wulfric. »Es ist mindestens so schlimm, wie es aussieht: Wir haben nichts mehr zu essen, kein trinkbares Wasser und können alle dauerhaft zu Regy ziehen, wenn wir so was Ähnliches wie ein Haus um uns herum wollen.«
»Und wir haben einen Weg in die Freiheit«, fügte Simon hinzu, als sei es eine Nebensächlichkeit. Er wies mit ausgestrecktem Arm auf die Bresche in der Einfriedung.
Losian wandte den Kopf und sah ihn an; der Blick der grünblauen Augen wie so oft schwer zu deuten. Euphorie konnte Simon jedenfalls nicht darin entdecken. »Was ist?«, fragte er verständnislos. »Ich hätte gedacht, dass gerade du in Jubel ausbrechen würdest.«
»Ah ja?«, bekam er verdrossen zur Antwort. »Vielleicht nachdem du mir erklärt hast, wie du übers Meer zu kommen gedenkst.« Simon wollte einen Einwand vorbringen, aber Losian schnitt ihm mit einer knappen Geste das Wort ab. »Ich schlage vor, wir kümmern uns erst einmal um das Nächstliegende: Nahrung und Wasser.«
Er machte sich an den Abstieg, und die Übrigen folgten ihm.
»Und? Wo sollen Nahrung und Wasser herkommen?«, fragte Godric.
»Ich schätze, wir könnten dafür beten«, schlug sein Bruder vor. »Vielleicht lässt Gott es vom Himmel fallen.«
»Gib acht,
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