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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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besonders, nein?« Es klang gekränkt.
    »Zumindest überrascht es mich nicht besonders.«
    »Ich bin hier, Losian, King Edmund.« Es kam von weiter rechts.
    »Großartig. Wer noch?«
    »Wulfric und Godric«, riefen seine Begleiter, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
    »Simon.«
    »Luke«, kam es zögernd von links.
    »Oswald.« Er schluchzte. »Oswald. Oswald.«
    Losian kniff erleichtert die Augen zusammen. Danke, Jesus. »Wo bist du, mein Junge? Sag noch was, damit ich dich finden kann.«
    »Oswald, Oswald«, quäkte Regy, halb belustigt, halb weinerlich. Es klang schauderhaft.
    »Halt’s Maul!«, knurrten zwei oder drei Stimmen.
    Regy verstummte verdattert.
    Losian lächelte in die Dunkelheit.
    »Hier«, sagte Oswald. »Losian. Hier.«
    Es kam von der Südwand der Halle. Losian bewegte sich langsam auf die Stimme zu. »Bleib, wo du bist, ich komme zu dir.« Er sagte es ohne Nachdruck, aber ihm graute davor, dass der Junge Regy zu nahe kommen könnte, der wahrscheinlich trotz der Tintenschwärze sehen und trotz des Tosens der Elemente perfekt hören konnte, argwöhnte er.
    Es war nicht weiter schwierig, Oswald zu finden, denn der heulte jetzt ohne Unterlass. Als Losian ihn erreichte, ließ er sich an der Wand entlang zu Boden gleiten, tastete einen Moment vergeblich und fand dann eine rundliche, eiskalte Hand.
    Oswald klammerte sich an seinen Unterarm, ließ sich zur Seite fallen und legte den Kopf in Losians Schoß.
    Losian erstarrte für einen Augenblick, denn es war ihm immer peinlich, wenn Oswald seine Nähe suchte. Aber niemand sieht es, dachte er dann und legte ihm nach einem winzigen Zögern die Hand auf den Schopf.
    »Jeremy«, jammerte der Junge. »Jeremy. Wasser. So so viel Wasser.« In seiner Verstörtheit war Oswald wieder dazu übergegangen, sich in einzelnen Wörtern statt in Sätzen auszudrücken, so wie damals, als er kurz nach Losian auf diese Insel gekommen war. Aber mehr war ja gar nicht nötig. Sie verstanden ihn auch so.
    »Schlimme Sache«, sagte Godric ernst. »Tut mir leid, Oswald.«
    »Und ich fürchte, Jeremy ist nicht der Einzige«, kam Simons geisterhafte Stimme von links.
    Losian sagte nichts, aber er wusste, der Junge hatte zweifellos recht. Niemand hatte sich nach Oswald mehr gemeldet. Und niemand hatte nach ihm selbst mehr diesen Turm betreten. Er hatte wenig Hoffnung für die acht, die noch fehlten.
    »Ein Jammer.« Regy seufzte tief. »All die liebenswerten Krüppel und Schwachköpfe hat das böse große Meer hinweggespült …«
    Jemand stand auf. »Wenn du jetzt nicht endlich …«
    »Bleibt, wo ihr seid«, befahl Losian den Zwillingen scharf. »Das ist es doch, was er will: euch zu sich locken.«
    »Wir sind aber zu zweit«, grollte Godric.
    »Ich würde mich an eurer Stelle nicht darauf verlassen, dass euch das viel nützt. Haltet euch von ihm fern, solange es dunkel ist. Aber ich werde mir merken, was du redest, Regy. Und wenn es mir nicht gefällt, werde ich dich morgen früh knebeln. Ist das klar?«
    Regy sagte kein Wort mehr, aber für den Rest dieser langen, langen Sturmnacht hatte Losian das Gefühl, dass der Blick der gruselig funkelnden Augen sich in seinen Nacken bohrte.
    Selbst Wulfric und Godric, die ihr ganzes Leben nahe der See verbracht hatten, sagten, dass sie nie zuvor so einen Sturm erlebt hatten. Furchtsam und bis auf die Haut durchnässt kauerte die kleine Gemeinschaft zusammen am Boden und lauschte dem Tosen und dem Ächzen der Holzbalken. Nicht nur Simon wusste, dass ein Haus ohne Dach leicht einstürzen konnte, und er fragte sich, ob Gott ihn vor der Flut gerettet hatte, damit er hier unter einstürzenden Trümmern begraben wurde.
    Doch als der Tag anbrach, ließen der Sturm und auch der Regen allmählich nach, und der alte Burgturm stand immer noch. Die Überreste seines Dachs, die Regy notdürftigen Schutz geboten hatten, waren allerdings verschwunden.
    Im ersten grauen Tageslicht sahen sie einander in die verfrorenen, erschöpften und zum Teil von Angst gezeichneten Gesichter: sieben Männer und Jungen, die zumindest in diesem Augenblick ein Gefühl von Gemeinschaft und Sympathie verband, weil sie zusammen die Katastrophe überlebt hatten. Und außerhalb des Kreises und der Bruderschaft, die sie bildeten, Regy.
    »Hunger«, klagte Oswald und brach damit den seltsamen Bann.
    »Ja, ich auch«, pflichtete King Edmund ihm bei. »Aber ich fürchte, all unsere Vorräte sind vom Meerwasser durchweicht. Auf Frühstück sollten wir lieber nicht hoffen.« Er

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