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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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schäumend in den Burghof ergoss.
    »Rennt!«, brüllte einer der Zwillinge. »Simon, beweg dich!«
    Losian hatte Oswalds und Jeremys Hütte fast erreicht, als die Flutwelle ihn überholte. Es fühlte sich an, als habe ihn ein Rammbock in den Rücken getroffen. Seine Füße verloren den Boden, und im nächsten Moment landete er hart auf der Erde. Er rollte ein Stück, ehe er gegen die gemauerte Brunneneinfassung prallte, und sprang wieder auf die Füße. »Oswald!«, brüllte er. »Komm raus, Junge! Bring Jeremy mit!«
    Er hatte die Orientierung verloren, taumelte in die Richtung, wo er die Wohnhütten vermutete, und rieb sich wütend die Augen, als könne er die Finsternis so besser durchdringen. Tatsächlich entdeckte er einen flackernden Lichtschein: das Küchenhaus. Er wandte ihm den Rücken zu, um sich auf Kurs zu bringen, und rannte förmlich in die nächste Welle. Wieder hörte er Holz bersten: Die Bresche im Palisadenzaun verbreiterte sich. Dieses Mal erfasste ihn der Sog des zurückweichenden Wassers und riss ihn mit. Losian schluckte eisiges, salziges Wasser, verspürte Todesangst und ein eigentümlich resigniertes Staunen über die ungeheure Kraft der See, als vier Hände ihn packten und aus der Welle rissen.
    »Komm jetzt«, keuchte Godric. »Das ist die letzte Chance.«
    Hustend befreite Losian sich und wollte sich abwenden, um die Übrigen zu warnen, doch die vier Hände bemächtigten sich seiner wieder und zerrten ihn auf den Lichtpunkt zu.
    »Du kannst nichts mehr tun«, erklärte Wulfric entschieden.
    »Oswald …«, brachte Losian keuchend hervor.
    »Ich glaub, er ist draußen«, kam Simons Stimme von links. Dünn und angstvoll. »Ich bin sicher, ich hab ihn gehört.«
    »Du lügst«, entgegnete Losian wütend. »Dir ist doch völlig gleich, wenn er ersäuft …«
    Den Rest verschluckte das Brüllen von Sturm und See. Dieses Mal klang es, als kreischten die Palisaden. Ohne ein weiteres Wort drehten die Zwillinge Losian um, sodass er mit dem Rücken zu ihnen stand, packten ihn jeder an einem Arm, und einer stieß ihm die Faust zwischen die Schultern. »Lauf endlich, du sturer Hurensohn!«
    Sie rannten um ihr Leben. Blindlings, ohne zu ahnen, ob sie nicht geradewegs in die nächste Flutwelle liefen, hasteten sie Richtung Motte. Losian hatte das Gefühl, dass das schäumende Wasser ihn verfolgte, schon an seinen Fersen leckte, nur so lange wartete, bis er fast in Sicherheit war, ehe es ihn endgültig holte. Seine Nackenhaare sträubten sich, und er riss sich von den Zwillingen los, weil die Hände ihm unerträglich waren. Dann prallte er vor die Palisaden. Es fühlte sich an, als habe er sich die Nase gebrochen, aber das war jetzt völlig belanglos. »Nach rechts!«, brüllte er über die Schulter, ließ im Laufen eine Hand über die dicken Holzstämme gleiten und gelangte endlich zu der Lücke, wo die Zugbrücke lag. »Gebt acht«, warnte Losian, ließ die Zwillinge und Simon vorbei und bildete selbst die Nachhut.
    Sie rannten über die Brücke. Das eindringende Wasser hatte den flachen Graben gefüllt, fauchte zu ihren Füßen in seinem viel zu engen Bett, aber er schenkte ihm keine Beachtung.
    Dann hatten sie die Brücke überwunden, und endlich, endlich stieg der Boden unter ihren Füßen an.
    Völlig ausgepumpt kamen sie schließlich vor der Ruine des Burgturms an, blieben stehen, stützten die Hände auf die Oberschenkel und rangen um Atem.
    »Los, weiter«, drängte Wulfric. »Lasst uns nicht in dieser Sintflut rumtrödeln. Ich hoffe nur, wir sind nicht die Einzigen, die’s geschafft haben.«
    Losian stieg die Treppe hinauf, tastete nach der Tür und fand einen Flügel offen. »Und ich hoffe, wer immer vor uns angekommen ist, hat Regy nicht vergessen«, sagte er.
    Sie traten nacheinander durch den Eingang. Drinnen regnete es genauso schlimm wie draußen, aber es war eine Wohltat, sich nicht mehr gegen den Sturm stemmen zu müssen.
    Losian lehnte sich einen Moment mit geschlossenen Augen an die Wand, atmete in langen, gierigen Zügen und befühlte schließlich vorsichtig seine Nase. Sie blutete, aber sie war nicht gebrochen.
    »Wer ist hier?«, rief er. »Sagt eure Namen.«
    Einen Moment war nichts zu hören außer dem Tosen der Elemente, und Losian wartete mit geschlossenen Augen.
    Dann hörte er: »Kuckuck! Wer mag ich wohl sein?«
    Gänzlich gegen seinen Willen verzogen Losians Mundwinkel sich nach oben. »Halt die Klappe, Regy.«
    »Dass ich hier bin, interessiert dich im Moment nicht so

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