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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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auf ein Riff geworfen. Holz splitterte, Männer schrien, rannten kopflos von backbord nach steuerbord, und sie begannen zu sinken. Ungläubig blickte er nach unten, sah Wasser durch die geborstenen Planken dringen, und als er das eisige Nass an den Füßen spürte, fuhr er mit einem Stöhnen aus dem Schlaf.
    Blinzelnd starrte Losian in die Finsternis, lauschte dem Toben des Sturms und fragte sich, wie in aller Welt er bei diesem Getöse hatte einschlafen können. Er tastete mit der Hand sein Strohlager ab. Ungläubig stellte er fest, dass das Fußende völlig durchnässt war.
    Er sprang auf, machte einen Schritt Richtung Tür und trat in eine Pfütze. Reglos verharrte er und rang gegen die Panik. Es war der Traum, dieser verfluchte Traum, der ihn nicht aus seinen Klauen ließ und mit hilflosem Schrecken erfüllte, und Losian betete sich vor, dass kein Nachtgespinst einem Mann gefährlich werden konnte, wohl aber der Sturm, der hier in der wirklichen Welt tobte und ihnen offenbar eine Flut bescherte.
    Ohne jeden bewussten Entschluss hatte seine Hand sich um den Mantel gekrallt, als er aufgesprungen war. Er warf ihn sich über die Schultern, ehe er zur Tür seiner Hütte trat.
    Kaum hatte er sie einen Spalt geöffnet, riss der Wind sie ihm aus der Hand, und sie schlug polternd gegen die Bretterwand. Das Krachen war jedoch nichts gegen das Getöse des Sturms. Es war so finster, dass er buchstäblich nicht die Hand vor Augen sehen konnte. Regen prasselte mit solcher Gewalt auf ihn nieder, dass die Tropfen sich wie kleine Kiesel anfühlten, und sie trafen ihn waagerecht ins Gesicht.
    Er schloss die Augen, gegen die peitschenden Tropfen ebenso wie gegen die Dunkelheit, stemmte sich in den Wind und kämpfte sich zur übernächsten Hütte vor. Der Boden unter seinen nackten Füßen war nass, aber noch musste er nicht waten.
    Schon wieder wurde ihm die Tür aus der Hand gerissen. »King Edmund?«, brüllte Losian.
    »Ich komme«, sagte die vertraute Stimme aus der Finsternis – seelenruhig. Im nächsten Moment spürte Losian die Präsenz genau vor sich, aber erkennen konnte er ihn nicht. »Das ist entweder der Beginn des Jüngsten Tages oder der fürchterlichste Sturm, den ich je erlebt habe, mein Junge.«
    »In meiner Hütte steht schon das Wasser. Wir müssen alle auf die Motte hinaufbringen. Und zwar schleunigst«, drängte Losian.
    »Ich geh ins Küchenhaus und schür das Feuer auf, um uns ein paar Fackeln zu machen«, erbot sich King Edmund.
    Losian traute seinen Ohren nicht. »Das kannst du dir sparen bei dem Wetter. Aber geh nur, schür das Feuer auf und lass die Tür offen stehen. Dann haben wir wenigstens ein Licht zur Orientierung.«
    »Aber …«
    »Tu, was ich sage, Edmund, um der Liebe Christi willen!«
    »Na schön.« Edmund schob sich an ihm vorbei und war augenblicklich wie vom Erdboden verschluckt. Losian konnte ihn weder hören noch sehen. Aber King Edmund war länger hier als irgendjemand anderes – wenn irgendwer das Küchenhaus in dieser Schwärze finden konnte, dann er.
    Losian tastete sich weiter zur nächsten Hütte. »Luke, Wulfstan, raus hier.«
    Ein Brecher donnerte gegen die Palisaden, und Losian fragte sich, was von der Anlegestelle wohl noch übrig war und wie in aller Welt die Mönche sie versorgen sollten, wenn sie hier nicht mehr festmachen konnten. Vielleicht hat King Edmund recht, fuhr es ihm durch den Sinn. Es klingt wie der Anfang vom Ende der Welt.
    »Wieso sollen wir raus in so ein Sauwetter?«, nörgelte die brüchige Stimme des alten Wulfstan aus der Hütte.
    »Weil das Wasser steigt. Komm schon. Was macht die Schlange, Luke?«
    »Sie schläft.«
    »Dann geht den Burghügel hinauf. King Edmund macht Licht in der Küche. Na los, trödelt nicht.«
    Er wartete keine Antwort ab, sondern ging weiter, und nach fünf Schritten kollidierte er mit einer unsichtbaren Gestalt. »Gott verflucht …«
    Losian hielt mit Mühe das Gleichgewicht. »Simon?«
    »Ja.« Fahrig tastend strich die Hand des Jungen über seinen Arm und krallte sich fest. »Der Sturm wird immer schlimmer, da haben wir uns gedacht …«
    »Wo sind die Zwillinge?«, unterbrach Losian und riss sich los.
    »Hier«, kam es zweistimmig aus der Finsternis.
    Er hieß sie ebenfalls, auf die Motte zu steigen, und wandte sich ab, um zu der Hütte zu gehen, die Oswald und Jeremy teilten, als der nächste Brecher gegen die Palisaden donnerte. Holz knirschte und splitterte wie in Losians Traum, und dann hörten sie, wie das Wasser sich

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