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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Ohne Oswalds Hand loszulassen, sagte er zu Losian: »Sein Herz ist schwach. Viele Menschen, die mit seinem Gebrechen geboren werden, haben ein schwaches Herz. Ich weiß nicht, wieso. Hat er vielleicht eine große Anstrengung vollbracht? Oder hatte er ein zehrendes Fieber?«
    »Wir sind seit Wochen auf Wanderschaft«, erklärte Losian. »Ihn hat es mehr angestrengt als die anderen.«
    Josua nickte knapp. »Natürlich. Weil sein Herz viel schneller schlagen muss als Eures. Er braucht Ruhe, Schonung und Nahrung. Ich kann ihm ein Stärkungsmittel geben, aber es ist gut möglich, dass er trotzdem stirbt.«
    Losian verließ sich auf seine Intuition, so wie er es beim Schwertkampf mit de Laigle getan hatte. »Tut, was Ihr für richtig haltet, Josua ben Isaac. Aber ich kann Euch Euer Stärkungsmittel nicht bezahlen.«
    Ein humorloses Lächeln huschte über das zerfurchte Gesicht. »Fürs Erste will ich nur Euer Wort, dass Ihr nicht Euer Schwert gegen mich zieht, falls der Junge stirbt.«
    »Ihr habt mein Wort.«
    »Dann gesellt Euch zu Euren interessanten Freunden und lasst mich meine Arbeit machen.«
    Losian trat beiseite, um ihn nicht zu stören, und weil ihm ein bisschen vor den Zaubersprüchen gruselte, die der Arzt gewiss vor sich hinmurmeln würde. Doch Josua ben Isaac tat nichts dergleichen. Genau wie die Zwillinge, Simon, King Edmund, Regy und Luke sah Losian fasziniert zu, während der jüdische Arzt Oswald behutsam die Brust massierte. Der Kranke schien ein wenig ruhiger zu atmen, und die beängstigende Blautönung seiner Haut ging zurück.
    Josua ben Isaac wandte sich ab und füllte einen Zinnbecher zur Hälfte mit rotem Wein aus einem Krug auf dem Tisch neben der Tür. Dann holte er einen kleinen irdenen Topf von einem Wandbord, wo mindestens zwei Dutzend weiterer Gefäße ordentlich aufgereiht standen. Der Topf war mit einem Stück Leder verschlossen, das fest gespannt und mit Schnur umwickelt war, sodass es dicht saß. Der Jude öffnete den Verschluss, entnahm dem Topf eine winzige Prise eines gräulichen Pulvers und streute es in den Wein.
    »Losian, ich weiß nicht …«, zischte King Edmund skeptisch.
    Oswald teilte seine Meinung offenbar, denn als Josua seinen Kopf anhob und ihm den Wein einflößen wollte, fing er leise an zu jammern und drehte den Kopf weg. Der Arzt sprach beruhigend auf Normannisch zu ihm, aber Oswald konnte ihn nicht verstehen und wurde immer ängstlicher.
    Losian trat hinzu. »Vielleicht wäre es besser, Ihr ließet mich das machen«, schlug er vor.
    Josua nickte und drückte ihm den Becher in die Hand.
    Losian hockte sich neben dem Lager auf den sauber gefegten Dielenboden und legte die Linke auf Oswalds Hand. »Es ist ein Trank, von dem dir besser wird«, erklärte er leise.
    »Der Mann sieht gruselig aus«, murmelte Oswald.
    »Aber er will dir helfen«, versicherte Losian. »Hier, schau her.« Er führte den Becher an die Lippen und nahm einen winzigen Schluck. Guter Wein, bemerkte er flüchtig, wenn auch mit einem bitteren Beigeschmack. »Siehst du? Du kannst es trinken, Oswald, du hast mein Wort.« Er stützte den Kopf des Kranken und setzte den Becher an. Dieses Mal öffnete Oswald die Lippen, und Losian kippte ein wenig schneller, als vernünftig war, damit der Trank herunter war, ehe der Junge die Bitterkeit bemerkte.
    Oswald verzog das Gesicht, protestierte aber nicht. Seine Augen fielen schon wieder zu. Er war am Ende seiner Kräfte.
    Losian drückte ihm kurz die Hand. »Davon wird dir besser, du wirst sehen. Du kommst im Handumdrehen wieder auf die Beine.«
    Er stand auf und gab Josua ben Isaac den Becher zurück. »Habt Dank.«
    Der Arzt winkte ab. »Morgen früh werden wir wissen, ob es geholfen hat. Ist es noch weit bis ans Ziel Eurer Reise?«
    »Unsere Reise hat kein Ziel«, gestand Losian untypisch freimütig. Es war gerade die Fremdartigkeit dieses Mannes, die es ihm leicht machte, ihm zu trauen.
    Josua zog die buschigen Brauen in die Höhe. »Das heißt, Eure Reise ist eine Flucht?«
    Losian sah ihm in die Augen. »Ja. Aber es ist nicht das Gesetz, vor dem wir fliehen.«
    Der jüdische Arzt ließ den Blick über die seltsamen Wanderer schweifen und schien ein paar Schlüsse zu ziehen. »Ich verstehe.«
    »Seid so gut und sagt mir, was ich tun kann, um mich für Eure Hilfe erkenntlich zu zeigen, Josua ben Isaac, und wenn es getan ist, werden wir weiterziehen und Euch nicht länger behelligen.«
    Josua lächelte, und um seine Augen bildeten sich Kränze tiefer Falten,

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