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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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vor sich hinkokelnder Busch konnte plötzlich reden. Der Austausch zwischen Geist und Materie wurde reger und wuchs weiter. Die Menschen, wie sich die Affen jetzt nannten, gaben auch dieser spirituellen Zone, aus der sie ihre Gedanken und Ideen schöpften, Namen, nur dass es viele Namen waren, weil diese Ebene im Gegensatz zur Menschlichkeit doch so schwer zu fassen war. Sie nannten sie Geist. Sie nannten sie Inspiration oder Muse. Sie nannten sie das Denken, göttliche Eingebung, Himmel, Hölle, Traum, Alternativwelt, soundsovielte Dimension, außerirdische Lebensform, Magie und was weiß ich noch was. Wir Eingeweihten aber nennen sie einfach das Wiedenfließ.
    Etwas Verhängnisvolles geschah. Wie dir eben klargeworden sein dürfte, gab es das Wiedenfließ schon lange vor den Menschen, und es war wohl eher ein Zufall, dass die Menschen es zuerst entdeckten. Darüber kann man jetzt viel philosphieren. Vielleicht wäre alles genauso schiefgelaufen, wenn die Delphine das Wiedenfließ zuerst angezapft hätten, denn vielleicht musste zwangsläufig jede wiedenfließbegabte Gattung schließlich zum Erdrossler des Planeten werden. Wer kann das wissen, so etwas ist selbst mir zu hoch. Jedenfalls reservierten sich die Menschen den Geist. Sie steckten sich sozusagen einen monopolistischen Claim im Wiedenfließ ab und verwehrten durch regen Austausch und Benutzung, ja anfangs sogar durch regelrechte Überbeansprachung der spiritual connection allen anderen Gattungen den Zutritt, und das hätte nie passieren dürfen. So kam es, dass die Fische und Vögel und Elefanten und ganz besonders die Hunde und alles, was es sonst noch gibt, dumm blieben, im wahrsten Sinne des Wortes dumm wie Ochsen. Es gibt keine Magie unter Tieren, keine Phantasie und keine Kunst. Tiere – und Pflanzen und Mineralien und Elemente und der ganze übrige Scheiß – eignen sich im Gegenteil hervorragend zum Benutzen , als Werkzeug für Magie und Phantasie und Kunst. So machten sich die Menschen also tatsächlich die Erde untertan, genauso, wie es später ein cleverer Schriftrollenschreiber einem imaginären Gott in den Mund gelegt hat, um diesen Wahnsinn noch im Nachhinein legitimieren zu helfen.
    Durch ihren Starrsinn, ihren unbedingten Eigennutz und die ihnen merkwürdigerweise allen von Geburt an eigene Anschauung, dass alles in der Welt dafür da ist, von ihnen entweder gegessen, gefickt, bebaut, beschissen oder erobert zu werden, setzten die Menschen eine unheilvolle Wechselwirkung in Gang. Das Wiedenfließ war komprimierter Geist, unterschätz das nicht. Dieser komprimierte Geist lernte nun also nur eines kennen, wurde nur in einer einzigen Hinsicht angezapft, in Bewegung und Energie versetzt und motiviert – nämlich durch einen anhaltenden und immer irrer werdenden Austausch mit einer sich emsig vermehrenden Rasselbande von größenwahnsinnigen Allesfressern. Und da das aufgrund des verhängnisvollen Interaktionsmonopols das Einzige war, was das Wiedenfließ je kennenlernte, lernte es halt dadurch, lernte und imitierte, imitierte, imitierte und variierte, variierte und verfeinerte. Das, mein staunender Liebling, ist der einzige Grund, warum das Wiedenfließ heute die Charakteristika eines katholizistischen Fegefeuers hat, durchsetzt mit dem muffig-bürokratischen Hierarchiegehabe einer sogenannten geordneten Welt. Wir haben das Wiedenfließ so gemacht. Wir erschufen es nach unserem Ebenbilde. Machten uns eifrig die Erde zur Hölle und setzten noch eins drauf.
    Und da das Wiedenfließ nun eben komprimierter Geist war, entwickelte es natürlich auch Eigeninitiative und spielte mit großem, analytischen Interesse die Ränke und Morde und Kriege der Menschen nach. Es gab zwar auch Liebe im Wiedenfließ, dann und wann, so wie es dann und wann auch Liebe bei uns Menschen gibt, aber wie bei uns wurden auch im Fließ die Liebe und die Vergebung immer weniger wichtig und immer unzeitgemäßer, und das eigentliche Sagen hatten bald die Könige, die Kanzler und die Generäle. Es gab viele Könige in der Geschichte des Wiedenfließes, wahrscheinlich sogar eine shakespearsche Abfolge von sich gegenseitig in ihrem Blute erwürgenden Tyrannen und Usurpatoren. Aber derjenige, der sich letztendlich durchsetzte und es schaffte, seine Regentschaft in jahrhundertewährender Kontinuität zur Unbezweifelbarkeit auszubauen, war NuNdUuN. NuNdUuN der Herrliche. NuNdUuN der Eroberer. NuNdUuN – der Gottvater des Hasses.«
    Hier beendete Hiob seine Erzählung, denn als

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