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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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St.-Christophorus-Gemeinde und dem weißen, eleganten, wie von Nicholas Hawksmoor errichteten Hochbau der Nikodemuskirche. Als er an deren Fassade – eingerahmt von zwei Heiligenstatuen mit Büchern – auch noch die Alpha-Christus-Omega-Symbolik vertreten fand und schräg gegenüber an der Hauswand eines Kindergartens das krakelige weiße Graffitti ICK BIN ENE VAMPIR! und daneben, kleiner, ICH AUCH, passte alles ganz wunderbar zusammen, und er errichtete an der Kreuzung Nansenstraße / Manitiusstraße ein Monument aus bunten Scherben, Sakrifizium der Nacht.
    » ... entstanden langsam, Tag für Tag, gleichzeitig und doch ohne Berührungspunkte nebeneinander her, beide Sphären. Jene noch weiche, aber schon bald in krustiger Abkühlung erstarrende Welt, die wir unseren Planeten nennen, und jenes noch unnennbare spirituelle Kontinuum, das ebenfalls aus dem Big Orgasm herausgeplatzt war und jetzt genau wie der Wasserdampf und die anderen noch leichteren Gase kreiste und sich tummelte und darauf wartete, abzuregnen und unter den Scheitelpunkten der Wasserscheiden Ozeane zu bilden. Lange, sehr lange – Jahrmilliarden, um genau zu sein – hatte dieses Kontinuum, diese funkelnde und irisierende Gegenwelt, keinen Namen und kein Gesicht, und es wartete, ohne zu wissen, dass es wartete. Es wartete lange. Vielleicht forcierte es dann irgendwann jenen quasigöttlichen Funken, der die ersten lebendigen Mikroben hervorbrachte, obwohl ich das nicht glaube. Ich glaube, dass das Leben auf diesem Planeten tatsächlich nur eine chemische Zufallsreaktion war, die aber in Anbetracht der korrekten Zutaten früher oder später irgendwann erfolgen musste. Jedenfalls sah das Kontinuum, ohne zu sehen, die Einzeller kommen und gehen, die Trilobiten kommen und gehen, die Fische kommen und gehen, die Amphibien kommen und gehen, die Dinos kommen und gehen, den Archaeopteryx und die ersten großen Säugetiere kommen und gehen, und nichts, aber auch überhaupt nichts passierte, was dem Kontinuum zu irgendeinem Bewusstsein verholfen hätte. Es war zwar da, aber auch nur das. Es trieb und dümpelte halt irgendwo herum, ein formloses Unding zwischen Dimensionen und Wahrnehmbarkeiten, zwischen Zeit und Raum. Währenddessen wurde es auf unserer vulkanbewarzten Mutter langsam spannend. Kleine schwarzhaarige Äffchen rückten sich knirschend die Wirbelsäulen gerade und wurden dadurch plötzlich größer. Sie fingen an, mit Feuer und Hölzern und Knochen herumzuspielen und ihre sozialen Gefüge auf vielfältige Arten und Weisen zu variieren. Und dann – irgendwann im niemals kartographierten Nebel der Urzeit – kam er, der absolut reine magische Augenblick. Es muss ein Augenblick gewesen sein, an dem zum ersten Mal einer der komischen Affen die Sonne betrachtete und etwas anderes in ihr sah als nur einen hellen Fleck am Himmel, oder ein Bär plötzlich mehr zu sein schien als einfach nur ein mürrischer zottliger Geselle, der seine Winterschlafhöhle verteidigte. Vieleicht war es ja auch der Moment, an dem zum ersten Mal ein Mann mehr für eine Frau empfand als einfach nur krude Läufigkeit, ich weiß das nicht, und niemand wird es je erfahren können. Aber es war der erste Gedanke, die ursprüngliche Sekunde der Abstraktion, das erste schauerliche Aufblitzen dessen, was die Menschen als Einziges von den Tieren unterscheidet: die Fähigkeit der Phantasie. Es geht dabei nicht um Intellekt oder so was Überflüssiges. Planen und Lauern und die beste Gelegenheit abwarten, also intelligent vorgehen, können die meisten anderen Tiere auch, auch wenn die Sielmanns und Attenboroughs dieser Erde uns so was immer beschwichtigend als ›Instinkt‹ verkaufen wollen. Nein, es geht um jenen einen Moment der Ablösung von dem, was tatsächlich da und greifbar war. Der elektrische Überspannfunke zwischen der materiellen und der bislang noch völlig ungenutzten immateriellen, spirituellen Welt war endlich gesprungen. Magie entstand. Sowohl die Magie des einfachen, abstrakten Gedankens, als auch die Magie des Blitze-aus-den-Fingerkuppen-Schleuderns, denn beides ist im Grunde genommen nichts anderes als eins. Von jetzt an war alles möglich, und nichts würde jemals mehr sein wie vorher. Rauschende Blätter im Sturmwind konnten jetzt tanzende, wispernde Geistlein sein, der Hirsch mit der blassen Färbung wurde ein mächtiger Totem, Sonne und Mond bestimmten als feurige Kampfwagen und lykanthrophische Haarwuchsmittel alle Regeln aller Länder, und sogar ein simpel

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