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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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weinte tatsächlich! –, weil alles eigentlich so durchschaubar gewesen war und er dennoch wie ein Blödmann mittenrein getappt war.
    Er lag auf dem Teppich, machte Flecken, die nie mehr rausgehen würden, und wartete, dass seine Risse verschorften. Wenn er sich überhaupt nicht mehr bewegte, wenn er selbst das Atmen auf ein Minimum reduzieren könnte, vielleicht hatte er dann eine Chance, weit genug abzuheilen, um irgendwann zum Telefon kriechen zu können und den Notruf zu wählen. Er konnte sich selbst nicht heilen, so viel war jetzt klar. Vielleicht konnte es aber eine einfache hautärztliche Behandlung. Wie bei einem ganz normalen Menschen auch.
    Er reduzierte das Atmen. Wenn er das weit genug trieb, würde er wieder ohnmächtig werden, was gut war, denn dann würde er sich wenigstens nicht bewegen und die Schmerzen nicht mehr so spüren. Bewusstlosigkeit als Morphium. Wie bei einem ganz normalen Menschen auch.
    Da er mit dem Gesicht auf dem Boden lag, konnte er nicht einmal feststellen, ob draußen mittlerweile Morgendämmerung oder schon wieder eine neue Abendfinsternis hereinbrach. Es herrschte ein diesiges Zwielicht im Zimmer, das weder täglich war noch nächtlich, noch Winter noch Sommer noch Erde noch All. Er konnte nur hoffen, dass seine überlasteten Heizkörper ihm nicht irgendwann um die Ohren flogen. Und dass (hahaha) nicht irgendwo im Haus (wirklich ein erheiternder Gedanke) ein Feuer ausbrach oder etwas anderes, dem er nicht entkommen konnte.
    Er hatte Hunger und musste dringend pissen. Letzteres war ja nicht so ein unlösbares Problem und wurde erledigt, auch wenn Hiob sich gleich danach wieder verfluchte, weil der Urin, der sich auf dem Teppich ausbreitete, in den Wunden brannte wie Feuer. Salzwasser halt, des Seemanns Percy Herbert grimmster Nachtmahr nach der Auspeitschung.
    Weiter runter mit dem Atmen. Bevor er in königsblauen Strudeln abwärts driftete, dachte er nach über den biblischen Hiob, und wie er ihn verachtet hatte schon als Kind. Der angeblich so liebe Gott lässt sich vom Teufel zu einer Wette überreden (Goethe hat das dann später für seinen Faust geklaut), dass Hiobs schon sprichwörtlicher Glauben ein paar kernigen Prüfungen nicht standhalten wird. Also wird dem Hiob alles genommen, seine Tiere, seine Kinder, seine Besitztümer, alles krepiert oder wird vom Sturm weggerissen, nichts bleibt ihm mehr. Dann kommt noch der Ausschlag dazu und drei sogenannte Freunde, die Hiob mit ihren mitleidlosen Sprüchen nerven. Und was macht Hiob? Er greint und winselt zwar ein bisschen, akzeptiert aber weiterhin Gott als den allmächtigen Gutvater. Statt den alten sadistischen Zausel aus seinem Elfenbeinhimmel zu sich herabzureißen, ihn in die grindige Scheiße zu stuken und ihn anzuschreien mit den Worten: »Was bildest du dir denn eigentlich ein, du verrückter, größenwahnsinniger, herzloser alter Folterknecht! Was hab ich dir getan? WER GIBT DIR DAS RECHT?«, hält Hiob ihm weiterhin die Treue und wird dafür am Ende mit Reichtum und neuem Nachwuchs belohnt. Spielt in der Bibel keine Rolle, dass die neuen Söhne und Töchter Hiobs andere sind als die ersten, die alle tot und unbegraben bleiben, wichtiger ist, dass die neuen doppelt so viele wie die alten sind. Das Alte Testament ist ein hartherziges und unmenschliches Buch, verliebt in Zahlen, Listen und Gebote, und diejenigen, die es predigen, sind genauso.
    Das Einzige, was den biblischen Hiob hätte sympathisch machen können, wäre sein Entschluss gewesen, nach der ganzen überstandenen – und völlig unverdienten und unverschuldeten! – Qual gegen Gott Krieg zu führen, um es dem ungerechten Peiniger heimzuzahlen. Aber dafür war dieser Hiob zu schwach und zu blöde.
    Ich habe es da leichter, dachte Hiob der Zeitgenosse, während ihm die Sinne schwanden, ich kämpfe gegen den, der mir das antut, der Gott und Teufel ist in einer Person, und gegen den ich Krieg führe schon seit Jahren und dies auch weiterhin tun werde, falls ich jetzt nicht verloren habe, was ich mich aber weigere zu akzeptieeeeeeeeeerrrrrrrr
    Ihn weckte der Hunger. Es war schlimm. Er lag immer noch wie ein Toter am Boden und stank erbärmlich und traute sich nicht, sich zu rühren, weil dann seine alles zusammenhaltende Körperhülle von ihm platzen würde wie mürber Keks.
    Er fing an, seinen eigenen Speichel aus den färbenden Fasern der billigen Auslegware zu saugen, um etwas gegen Hunger und Durst gleichzeitig tun zu können. Ein einfacher Apfel, auch

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