Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Mann. Er sollte als mein Erbe unsere ... geschäftlichen Arrangements fortführen. Er ist nicht vergiftet worden, so viel konnten die Mediziner ausschließen. Einer unserer Heiler sagte ...«
»Ja?«
»Er sagte, Aydin sei zwischen Träumen verloren gegangen.«
Hiob nickte. »Das Meer der Nachtgesichte ist gefahrvolles Terrain, Herr Ince, das haben schon andere feststellen müssen. Es ist nicht unmöglich, dass ich Ihnen helfen kann. Haben Sie sich schon darüber Gedanken gemacht, wie viel Ihnen meine Dienste wert sind?«
»Wenn es Ihnen gelingt, meinen Sohn zurückzubringen, gebe ich Ihnen einhunderttausend Mark.«
Hiob schüttelte vorsichtig den Kopf. »Normalerweise bekomme ich meine Aufträge von höherer Instanz und werde deshalb nicht dafür bezahlt. Das ist also eine einmalige Chance für mich, ein für allemal aus den Miesen herauszukommen. Ich denke also nicht, dass es Sie überlasten würde, mir eine Viertelmillion zu zahlen.«
Ince lachte völlig unbelustigt. »Soll ich jetzt geschmeichelt sein, weil Sie mich so sehr überschätzen?«
»Ihr einziger Sohn, Herr Ince. Denken Sie drüber nach. Eine Viertelmillion ist keine unrealistische Forderung.«
»Ich könnte Sie auch zwingen, mir zu helfen, wissen Sie?«
»Das bezweifle ich doch sehr.«
Sie maßen sich mit Blicken. Es war Kamber deutlich anzusehen, dass er sich innerlich selbst in den Hintern trat, diese Situation herbeigeführt zu haben.
Neriman Ince tupfte sich mit einem seidenen Tuch Schweiß von der Stirn. »Es gibt da noch eine Sache, über die ich Klarheit brauche.« Er gab dem linkerhand stehenden Begleiter einen vorher vereinbarten Wink. Der machte zwei Schritte auf Hiobs Bett zu, bückte sich und zog Hiob die Decke weg. Der verblüffte Hiob, der jetzt mit allem Möglichen gerechnet hatte, aber nicht mit so einer kindischen Aktion, bedeckte seine Blöße, aber nicht schnell genug. Für einen Moment war sein Penis zu sehen. Der Moment genügte.
Ince sah dem jetzt etwas dämlich dasitzenden Hiob ernst in die Augen. »Da mir mein Freund Kamber sicherlich erzählt hätte, wenn es sich bei Ihnen um einen konvertierten Moslem handeln würde, muss ich davon ausgehen, dass Sie Jude sind, Herr Montag.«
»Mein Großvater ist Jude«, sagte Hiob ärgerlich. »Er hat dafür gesorgt, dass ich beschnitten wurde, damit mir der Zugang zur Kabbala ermöglicht wird. Aber ich bin nicht als orthodoxer Jude erzogen worden. Mein Hebräisch ist ziemlich miserabel, wenn Sie das beruhigt.« Er angelte sich die Decke wieder zurück. Jetzt war es an den türkischen Begleitern, unverschämt zu grinsen. Hiob, ärgerlich, feilschte weiter. »Außerdem können alle Beschneidungen der Welt nicht ändern, dass ich für die Juden ein Mamser, ein Bastard, bin. Meine Mutter ist eine mustergültige Schickse aus Frankreich.«
Ince hob die Augenbrauen. »Trotzdem. Sie werden sicherlich verstehen, dass es für meinen guten Ruf alles andere als förderlich ist, wenn ich das Leben meines Sohnes einem Itzig anvertraue. Sie mögen nicht orthodox sein, wir sind es. Fünfzigtausend ist das allerhöchste Angebot, das ich Ihnen unter diesen Umständen machen kann. Das verstehen Sie sicher, und wenn ich mich des Weiteren umschaue, gewinne ich den Eindruck, dass auch dies für Sie ein Angebot ist, das abzuschlagen Sie nicht in der wirtschaftlichen Position sind.«
Hiob versuchte noch einen letzten Spurt, um die aus Geld bestehende Zielgerade doch noch zu erreichen. »Was ist das denn eigentlich zwischen den Juden und euch? Die Juden haben doch Krieg mit den Palästinensern, die im Grunde genommen verkappte Araber sind, und wie ich aus Lawrence von Arabien weiß, haben auch die Türken früher Krieg mit den Arabern geführt. Sind Juden und Türken dann nicht eigentlich Verbündete?«
Ince setzte ein feines, fast süffisantes Lächeln auf. »Wie sollte das möglich sein, wo sich die Juden doch erstens vermessen als das auserwählte Volk betrachten, sie zweitens keine Moslems sind und sie drittens, wo immer sie auch auftauchen, todsicher Ärger bedeuten?«
Hiob senkte den Kopf und gab sich geschlagen. »Scheiße. Geben Sie mir bitte ein paar Minuten, um mir etwas überzuziehen und einen ungestörten Telefonanruf zu machen. Dann bringen Sie mich zu Ihrem Sohn, und ich werde ihn mir mal ansehen.«
»Wie ungestört soll der Anruf sein?«
»Hundertprozentig ungestört.«
»Dann gehen wir schon zum Wagen vor. Wir warten unten.«
»Ich bleibe noch kurz hier«, meinte Kamber grimmig.
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