Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
wie ein alter Kap-Umsegler, was sie sich denn eigentlich einbildeten, und dass er wohl das Konsulat bemühen müsste, wenn man hier weiterhin so faschistisch mit harmlosen Touristen umspringe. Überhaupt hätte er gutes Geld für den Teddy geblecht und damit die marode Wirtschaft des verkommenen Königshauses wohl mehr als genug angekurbelt. Als er dann merkte, dass er sich bezüglich des Königshauses wohl etwas im Ton vergriffen hatte, strahlte er noch ein bisschen mehr magische Duftstoffe in den Raum. Da das ganz knapp immer noch nicht reichte, schnitt er halt selbst mit einem Paketschnurmesser den Bärenbauch auf und forderte die Beamten aggressiv auf, ihm doch die Drogen zu zeigen, die da drin seien und derentwegen der ganze Ärger für ihn hier nur angefangen hätte. Derart dröselte er das Verdächtigungsgeflecht – mit einem gehörigen Anteil arkanischer Suggestion – vom Anfang her auf, bis die klobigen Verbrecherjäger ganz liebenswürdig und leise wurden, ihm beim Zunähen des Teddys assistierten und ihm sogar das Flugticket auf die nächste startende Maschine umbuchten.
Als Hiob also endlich im Flieger saß, war er wieder schweißgebadet und völlig erschöpft, weil er so viel Energie verbraucht hatte. Der Bär war sogar noch schlimmer dran: Er hatte eine hässliche Narbe längs über Bauch und Brust. Wagsal würde toben, der Antiquitätenwert war ziemlich geschädigt. Hiob konnte nur hoffen, dass der magische Wert unbeeinträchtigt geblieben war.
Da der Rückflug nach Deutschland aus unerklärlichen, aber stets planmäßigen Gründen dreimal so lange dauert wie der Hinflug, schlummerte Hiob ein bisschen ein und träumte wieder verdammt schlecht. Er träumte diesen Traum, den er als Achtjähriger geträumt hatte, nachdem sein Vater ihm erlaubt hatte, früh zu Bett zu gehen und dann in der Nacht wieder aufzustehen, um zusammen mit ihm Tarantula im Fernsehen zu schauen. In diesem Traum kam der Professor mit dem völlig verschobenen Gesicht vor, tauchte mehrmals wieder auf, kam jedes Mal ein bisschen näher und sah jedes Mal entsetzlicher aus. Dann war da noch diese spiralförmige Freitreppe, die in die Tiefe führte, und dieser lächelnde Mann, der plötzlich aufhörte zu lächeln, weil seine Knie nach vorne durchknickten.
Hiob schreckte hoch, er war immer noch viel zu hoch in der Luft. Er nahm den verfluchten Bären aus der Schachtel, setzte ihn sich in einer Art Schwitzkasten-Würgegriff auf den Schoß und erntete dafür wenigstens das ehrliche Lächeln einer hübschen Stewardess.
c) Aktion
Die Dinge gerieten langsam in Schräglage. Hiobs erster Besuch in Berlin hätte eigentlich Moritz Wagsal gelten müssen, aber er getraute sich gar nicht, mit dem verstümmelten Bären beim Heiligen aufzukreuzen. Zumindest nicht, bevor der Bär seine Schuldigkeit getan hatte.
Als er sich mit Kamber in Verbindung setzte, um sich die verabredete sturmfreie Bude bei Träumerle Aydin bestätigen zu lassen, musste ihm Kamber mehr oder minder schonend beibringen, dass Vater Ince – offensichtlich noch nicht ganz überzeugt von Hiobs Kompetenz – für heute Abend und Nacht noch die Dienste eines orientalischen Quacksalbers hinzugezogen hatte, damit der seinem Sohn mit Waage, Pendel und Akupunktur zu Leibe rücken konnte. Hiob regte sich furchtbar darüber auf, redete von Vertragsbruch und dergleichen und hatte doch keine andere Wahl, als sich Ince zu fügen. Schließlich hatte er den verfluchten Teddy bereits am Hals.
Also machte Kamber die entscheidende Sitzung für morgen Vormittag klar. Für Hiob bedeutete das eine durchwachte Nacht, denn nachdem er jetzt zweimal dem Bären aufgesessen war, traute er sich nicht mehr schlafen zu gehen.
In existenzialistisch angehauchter Stimmung streifte er schließlich durch das der Jahreszeit entsprechend farblose Berlin, schmiss alle zwei Stunden – was sonst nicht zu seinen Lastern zählte – eine runde Amphetaminpille ein, legte abwechselnd die jeweils neusten Tapes von Oomph! und der Rollins Band in seinen Walkman ein, drehte voll auf und sah gutgestellten Nichtsnutzen beim Chillen zu. Chillen wovon, ihr weißen Zombies? Ich bin derjenige, den Vater Stress am Arsch hat.
Kalt geduscht, aber zerzaust und ein bisschen fahrig tauchte Hiob am nächsten Vormittag gegen zehn Uhr mit seinem Weltkriegsmantel, der Stimmgabel in einer der Manteltaschen und dem unverpackten Bären unterm Arm vor Neriman Inces allerliebstem Einzelhäuschen auf. Er hatte ausdrücklich und mehrmals
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