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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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labberige pinkfarbene Stoffbär in seinen Armen hatte zwar nur noch ein Auge, aber es war groß und treu und dunkelblau, und es war alles, was er besaß.
    Er hatte diese Ängste mehrmals durchgestanden, obwohl seine Eltern nur selten ausgegangen waren, vielleicht aber auch gerade deshalb. Und irgendwie half ihm diese Vorbereitung auf das Verlassensein, sich später mit dem Ernstfall auseinanderzusetzen. Da war er vierzehn Jahre alt – das entscheidende Jahr seines Lebens –, und sein Vater stürzte im Suff aus dem Fenster und verwandelte sich auf dem Asphalt in eine aufgeplatzte Pizza Calzone. Hiob geriet vollends unter den Einfluss seiner Mutter, und nachdem er aus reiner Pflichterfüllung noch das Abitur bestanden hatte und sich für die zweijährige Klausur in der Gruft entschied, schwang seine Mutter sich auf den Sozius einer Harley und brauste auf Nimmerwiedersehen in die Freiheit davon. Die Mission der Hexe war erfüllt. Und der Sohn der Hexe, der jetzt Hexer werden würde, empfand überhaupt nichts mehr angesichts des Verlustes beider Elternteile.
    Hiob der Erwachsene kam zu sich und wischte sich mit einem Zipfel der Bettdecke den Schweiß von Gesicht und Brust. Die Sonne steckte schon hoch im Nebel, er musste sich beeilen, um noch rechtzeitig zum Flughafen zu kommen. Das Geheimnis des Bären jedoch hatte er gelüftet: Der Bär hatte nicht nur die Albträume der Kinder in sich aufgesogen, die ihn zitternd in den Ärmchen gehalten hatten, sondern er hatte die Macht, jeden Menschen zu den Ängsten seiner Kindheit zurückzuführen. Da Albträume niemals schrecklicher sind, als wenn man selbst noch Kind und in den Erfahrungsbereichen des Unbewussten verankert ist, war die Nummer 151 somit eine furchtbare Waffe. In den Händen unvorbereiterer Gemüter konnte sie wahrscheinlich sogar tödlich sein.
    Er stopfte den Bären in die Hutschachtel, beglich seine Rechnung und ließ sich im Taxi nach Heathrow kutschieren. Dort kam er zwar rechtzeitig an, verpasste aber dennoch seinen Flug, weil eine Kette widriger Umstände ihm das Passieren der Sicherheitskontrollen unmöglich machte.
    Zum Ersten war ein Langhaariger mit einem Teddybären als einzigem Gepäckstück dermaßen verdächtig, dass einer der Flughafenbeamten das vermeintliche Spielzeug partout aufschneiden wollte, um die darin geschmuggelten Drogen ans Tageslicht zu fördern. Hiob schaffte es nur mit größter Überredungsgewalt, die Beamten vom Wert der Antiquität zu überzeugen, die borniert kaputt zu machen sie da gerade im Begriff waren, und sie willigten schließlich ein, einen erfahrenen Drogenhund mit der Nase drüberzulassen. Der Hund, der zwar schon vieles im Leben gerochen hatte, aber noch niemals den mehr als fünfzig Jahre alten Geruch von kindlicher Urangst, machte ein verdutztes Gesicht, schlug aber beim Bären nicht an. Dafür ließ er seine für Hunde typische Animosität Hiob gegenüber deutlich spüren und kläffte ihn zähnefletschend an. Die eifrigen Beamten, die jetzt ja regelrecht gezwungen waren zu vermuten, dass Hiob ein paar mit Drogen gefüllte Kondome in seinem Inneren spazieren trug, ließen ihn wieder und wieder durch die Abtastungsreihe tanzen. Ärgerlicherweise schlug jetzt natürlich der Metalldetektor dauernd an, und zwar selbst dann noch, als Hiob völlig nackt war.
    Hiob, der sich schon auf einen Vivisektionstisch geschnallt oder mindestens Brad-Davis-mäßig im Gefängnis verkümmern sah, wurde mitsamt dem Bären in einen Verhörraum abgeführt. Während »sein« Flugzeug sich scheinbar schwerelos in den grauen Himmel schwang, gelang es den Beamten nicht, die von Hiob als Entlastungszeugin angeführte Sheyla Maldiera ans Telefon zu bekommen. Im Gegenteil: Wie man bei Christie’s nur zu bereit war zu erzählen, war Miss Maldiera seit gestern spurlos verschwunden, und das noch dazu am Vorabend einer sehr sehr wichtigen Veranstaltung, und überhaupt: Niemals würde sie einen Auktionsbären freiwillig herausgerückt und einem fremden Deutschen übergeben haben, völlig undenkbar so was! Der schafstreu dreinblickende Hiob wurde von den Flughafenpolizisten mit mehreren »Wenn du da man bloß nich noch ’nen Mord auf’m Kerbholz hast Freundchen«-Blicken bedacht, und als man gerade im Begriff war, mit dem Yard Verbindung aufzunehmen, musste er halt zum letzten Mittel greifen: Er fing an zu schreien.
    Und zwar schrie er die Beamten an, stauchte sie regelrecht zusammen, bis er selbst ganz rot war im Gesicht, haderte und fluchte

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