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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Anweisung gegeben, dass niemand zugegen sein durfte, deshalb musste er jetzt wie ein Einbrecher über das hochtechnisch verriegelte Tor klettern. War aber kein Problem.
    Den Haustürschlüssel fand er an der abgemachten Stelle. Er ließ sich selbst ein. Durchstromerte erstmal das Haus. Studierte die CD-Sammlung (Klassik und heimatliche Folklore), griff sich hier ’nen Apfel, lümmelte sich ein paar Minuten auf der Ledercouch, probierte geistesabwesend die etlichen Satellitenkanäle des Dolby-Surround-Fernsehers durch, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ging zu Aydin rein. Dessen Zustand hatte sich nicht verändert, er lag noch immer in seinem eigenen Sabber. Aydins Augen sahen übel aus, man hätte wohl mal auf die Idee kommen sollen, ihm Augentropfen reinzuträufeln, wenn er doch nie blinzelte. Außerdem wies der Körper mehrere rußig verschmutzte Nadel-Einstiche auf, das einzige echte Resultat des gestrigen Schamanismus.
    Hiob legte seinen Mantel ab, trank das Bier und wog den Bären in der Hand. Der rundliche Stoffbursche vibrierte leicht, die Traum-Emanationen hier im Raum machten ihn regelrecht läufig.
    Hiob schob Aydins schlafschweren Leib im Bett etwas zur Seite, sodass für ihn selbst auch noch Platz war. Das Kissen allerdings zog er dem Träumer weg und legte es so aufs Laken, dass er selbst nicht mit der Speichelpfütze in Berührung kam. Dann legte er sich neben ihn und den Bären zwischen sie beide. Die Stimmgabel hielt er fest in der linken Faust. Er schloss die Augen.
    »Okay, Teddy Bear«, wisperte er, »zieh mich runter.«
    Hiob hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was ihn konkret erwarten würde. Irgendwas Übles – so viel war klar. Irgendwas, was stark und malevolent genug war, die Seele eines jungen Mannes zu kidnappen. Aber was genau – darauf gab es von außen leider keinerlei Hinweise.
    Das machte die ganze Sache natürlich ein bisschen nervenaufreibend.
    Teuflisch war auch, dass gar nichts passierte.
    Hiob lag weiterhin neben dem speichelnden Türken und wartete mit einer Stimmgabel in der Hand darauf, dass der Teddybär irgendein Tiefseetauchergewicht entfaltete. Es stand fast zu befürchten, dass gleich ein Versteckte Kamera -Team unterm Bett hervorkriechen und sich halb kaputtlachen würde über den doofen jungen Magus.
    Da Hiob allerdings beim besten Willen nichts anderes mehr einfiel, blieb er eben liegen und wartete. Vielleicht war Geduld der Schlüssel.
    Okay.
    Vielleicht war Geduld der Schlüssel.
    Wie lange konnte man sich das einreden? Eine Viertelstunde vielleicht, dann war ziemlich klar, dass Geduld nicht der Schlüssel war.
    Okay. Scheiße. Vielen Dank, Bär. Abgesehen von einer Beinahe-Verhaftung in Heathrow hast du mir wenig gebracht.
    Hiob erhob sich und griff nach dem Bären, gelangte dabei mit der Hand aber wohl irgendwie zwischen die Zähne von Aydin, und der biss kräftig zu! Hiob schrie und zappelte, da kam Aydin wie schlenkernd hoch und warf sich auf ihn, das Gesicht nur noch Zähne, Spucke und Blut. Die Bettbeine brachen unter der Wucht des plötzlichen Kampfes weg, Hiob und Aydin überschlugen sich ineinander verzahnt und rollten schniefend über den Boden. Aus den Augenwinkeln konnte Hiob den Teddy sehen, dessen verdammte Bauchwunde aufgerissen war und wie Würmer wimmelnde Miniatureingeweide sichtbar werden ließ. Das war zu viel. In diesem Moment, obwohl der rasende Aydin ihm mit den Zehennägeln in der Lendengegend herumscharrte, hatte Hiob einen seiner seltenen Augenblicke von vollkommener geistiger Klarheit. Er kannte diese Szene. Zwar nicht genauso, aber das Gesamtkonzept war ihm vertraut. Als Kind, wenn er sich von einem Albtraum erschöpft Einlass ins Bett seiner genervten Eltern erbettelt hatte, hatte er oft die Alb-Vision gehabt, dass sich die neben ihm liegenden riesigen Silhouetten der Eltern eben nicht als schützende Kuschelkörper erweisen, sondern sich plötzlich in genau die grauenerregend verzerrten Monstrositäten verwandelten, die auch in seinem Traum hinter ihm her gewesen waren. Die ganze Welt wurde dadurch zu einer Falle, aus der es kein Entrinnen gab.
    Dies war ein weiterer Albtraum aus seiner schönen Kindheit. Das bedeutete, dass er beim Geduldigsein eingeschlafen war. Er träumte bereits. Aber es war sein Traum, nicht der Aydins. Er musste jetzt weitergehen. Das Beste draus machen.
    Er hatte bereits eine Hand in Aydins Mund. Statt nun weiter zu rütteln und zu reißen und zu versuchen, sie da rauszuziehen, fing er jetzt an zu

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