Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
dell’Arco* an der Piazza Savona war Maresciallo Vibertis Lieblingslokal in Alba. Er pflegte die Osteria allerdings nur dann aufzusuchen, wenn er sicher davon ausgehen konnte, dass jemand anders die Rechnung bezahlen würde. So gesehen hatte er gegen das Mittagessen mit diesem Signor Hermanus überhaupt nichts einzuwenden. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was es eigentlich zu besprechen gab. Aber das war nun wirklich nebensächlich, gemessen an der viel wichtigeren Frage, ob der Spumante aus Asti*, den er als Aperitivo bevorzugte, die richtige Temperatur hatte.
»Nein danke, ich hätte lieber vorneweg einen Caffè doppio, und danach trinke ich nur Wasser«, wehrte Hipp das Glas mit dem Schaumwein ab.
Viberti sah ihn entsetzt an. »Sind Sie etwa Antialkoholiker? Vielleicht auch noch Vegetarier? Das wäre eine denkbar schlechte Ausgangssituation für unser Gespräch.«
»Da kann ich Sie beruhigen«, erwiderte Hipp lachend, »ich bin weder das eine noch das andere, ich komme sogar gerade von einer Weinprobe.«
»Von einer Weinprobe? Wunderbar, dann sind Sie ja perfekt eingestimmt. Ich habe mir für einen kurzen Augenblick ernste Sorgen gemacht.«
»Aber ich muss noch Auto fahren, und Sie als Hüter des Gesetzes werden verstehen, dass ich ungern bei einer Alkoholkontrolle …«
»Eine Alkoholkontrolle? In Alba? Am helllichten Tag?« Viberti schlug die Hände zusammen. »Da kann ich Sie beruhigen, davon müsste ich schließlich wissen. Ich habe keine angeordnet.«
»Aber ich muss bis nach Turin.«
Viberti nahm kopfschüttelnd eine Visitenkarte aus seiner Uniformjacke. »Falls Sie angehalten werden, geben Sie diese den Beamten und sagen, dass sie mich sofort anrufen sollen. Ich erteile Ihnen hiermit eine befristete Sondererlaubnis im Zuge wichtiger Ermittlungen. So, und nun machen Sie keine weiteren Schwierigkeiten und trinken Sie mit mir diesen wunderbaren Asti. Für danach habe ich bereits eine Flasche Roero Arneis* bestellt.«
Maresciallo Viberti freute sich zu sehen, dass Hipp das Glas entgegennahm und mit ihm anstieß. Dieses Problem wäre also gelöst. Er ließ sich doch von solchen unqualifizierten Bedenken kein viel versprechendes Mittagessen zunichte machen. Am Ende musste er selbst aus purer Solidarität ausschließlich Wasser trinken. Ein grauenvoller Gedanke. Außerdem wusste er nicht, ob er diese einseitige Flüssigkeitszufuhr überhaupt vertrug, er hatte das noch nie ausprobiert. Immerhin lebte er in Alba, inmitten der schönsten Weinberge Italiens. Was heißt schon Italiens? Von Europa, nein, von tutto il mondo! Hier bekamen schon die kleinen Kinder täglich ein Schlückchen Wein. Sozusagen in unmittelbarer Fortsetzung der Muttermilch.
»Bei den Antipasti dürfen wir keinesfalls unser viel gerühmtes Carne cruda all’albese* vergessen«, widmete sich Viberti der Menüfolge. »Und dann müssen wir unbedingt Tajarin* essen, con zucchine e pomodorini. Kennen Sie Tajarin? Das ist bei uns im Piemont eine Spezialität, ähnlich wie Tagliatelle, einfach delizioso!«
»Tajarin, sehr gerne«, sagte Hipp, dem zunehmend klar wurde, dass dieses Mittagessen länger dauern und einige Ansprüche an seine Kondition stellen würde.
»Als Alternative gäbe es die Tajarin auch al burro e salvia«, stellte Viberti mit Blick in die Karte fest. »Als Hauptspeise vielleicht Tonno di coniglio, zartes Kaninchenfleisch, in Gemüsebrühe gekocht, mit Knoblauch und Lorbeer. Oder Faraona al rosmarino, Perlhuhn mit Rosmarin. Dazu natürlich ein Gläschen Barbaresco …«
»Natürlich«, meinte Hipp amüsiert. »Ein Gläschen Barbaresco, nach dem Asti und nach dem Roero Arneis, das habe ich richtig verstanden?«
»Ganz genau, und hinterher, nach der Panna cotta con fragole, eine Grappa* zur Verdauung.« Viberti lehnte sich zufrieden zurück. Der Tag war gerettet.
»Klingt sehr viel versprechend«, sagte Hipp, der sich vornahm, den Weinkonsum vor allem der uniformierten Staatsgewalt zu überlassen, einer Aufgabe, der dieser Maresciallo zweifellos gewachsen war. Schließlich wollte Hipp im Anschluss zurück nach Turin, um die Nacht erneut in Sabrinas Krankenzimmer zu verbringen. Diese Vorsichtsmaßnahme schien ihm nach den vormittäglichen Eindrücken unbedingt angesagt. Er wollte morgen nicht mit der Nachricht konfrontiert werden, dass seine Schutzbefohlene nächtens auf gewaltsame Weise zu Tode gekommen war – mit einem Kissen erstickt, mit einem Stethoskop erdrosselt oder mit einer Spritze ins Jenseits befördert.
»Wo
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